Trittbrettfahrer und Memehijacker: Erfolgreiches visuelles Storytelling

 

And dieser Stelle habe ich Ihnen bereits einige Erfolgskonzepte für visuelles Storytelling präsentiert. Zum Beispiel den „Hingucker“, den „Augenschmaus“, den „Schnellschuss“, den „Türöffner“ oder den „Zeitgeist“. Heute machen wir das „Sixpack des visuellen Storytellings“ mit einem weiteren Bildkonzept komplett.

Die Bildidee, die ich Ihnen heute vorschlagen möchte, hat allerdings ein gravierendes Problem. Sie hat ein sehr schnelles Verfallsdatum.

Die Rede ist von Trittbrettfahrern und Meme-Hijackern. Bilder, die auf Trends und Memes aufspringen. Und Sie ahnen es schon … diese Bilder haben eine Deadline, denn sie sind Kommunikation in Echtzeit.

Trittbrettfahrer“ sind Grafiken, Fotos und Videos, die ungefragt auf laufende Konversationen aufspringen und sich in Diskussionen einmischen. Trittbrettfahrer und Meme-Hijacker zeichnen sich in der Regel durch Humor und ein Augenzwinkern aus. Sie nehmen das Leben und seine Themen leicht und manchmal auf die Schippe.

Diese Bilder und Videos sind hoch-emotional, persönlich und sympathisch. Aber sie sind auch sehr vergänglich, denn sie funktionieren nur im Kontext tagesaktueller Themen und Ereignisse. Das können planbare Events sein (saisonale Termine wie Valentinstag oder Weihnachten, Sportgroßereignisse wie Olympia oder Fußball-WM, Promi-Hochzeiten etc.) oder auch spontane Themen, über die man spricht und die Tagesgespräch (»Buzz«) sind (ungewöhnliche Wettersituationen, Ausrutscher von Prominenten etc.).

Live und Real

Trittbrettfahrer sind Formate des Real-Time-Marketing. Es erfordert ein sehr hohes Maß an Mut, Spontaneität und Agilität, um schnell und effizient auf die jeweiligen Themen aufzuspringen.

Real-Time-Marketing ist ein sensibles Instrument, das mit dem richtigen Timing und der passenden Tonalität extrem attraktiv für das Onlinepublikum sein kann.

Immer noch schönstes Beispiel ist die Reaktion der Keksmarke Oreo während des US amerikanischen Superbowl 2013. Während Millionen Menschen weltweit diesem Sportereignis zuschauten, fiel für eine halbe Stunde das Licht im Stadion aus. Es konnte nicht weitergespielt werden.

Das nutzte Oreo prompt, änderte sein Facebook-Cover-Bild und schickte es per Twitter an seine Fans: ein Foto mit dunklem Hintergrund, in dem ein Oreo-Keks zu sehen ist mit dem Text: »You can still dunk in the dark.«

 


(Bild: Oreo)

Der humorvoller Seitenhieb auf den Blackout im Superdome von New Orleans wurde zum meistzitierten »Visual Statement« - denn er war auch gleichzeitig eine Hommage an das Ritual von Oreo-Fans, ihren Keks vor dem Verzehr in Milch zu tauchen. Der Tweet wurde in den ersten Minuten 15.000 Mal retweetet und 20.000 Mal auf Facebook geliket. Das kleine Bild erzielte damit mehr Aufmerksamkeit als die teuren Werbespots, die während des Superbowl gezeigt wurden.

Ganz unvorbereitet war Oreo allerdings nicht. Bereits 2012 hatte das Kommunikationsteam mit seiner Agentur die Kunst der „Echtzeitkommunikation“ und des visuellen Trittbrettfahren eingeübt. Ein Jahr lang bzw. über 100 Tage lang publizierte Oreo unter dem Motto #DailyTwist auf seinen Social-Media-Kanälen ein Oreo-Bild, das ein tagesaktuelles Thema aufgriff. So erschien zum Beispiel am 25. Juni, dem Christopher Street Day, ein Oreo in Regenbogenfarben und am 5. Juni 2012 einer in Form eines Pandabären zu Ehren der Bärin Shin Shin, die im Zoo von Tokyo ein Junges geworfen hatte. Und am 5. August gab es ein Bild eines Oreo-Kekses mit »marsroten « Fahrspuren als Anspielung auf die Landung der Fähre Curiosity auf dem Mars.

Diese Real-Time-Kampagne anlässlich des 100. Geburtstags der Marke bescherte Oreo 433 Millionen Facebook-Views. Allein der Shin-Shin-Post wurde 4,5 Millionen Mal geliket und gesharet. Über 2.600 Medien berichteten weltweit über die Kampagne. (Eine Kampagne, von der man auch heute noch jede Menge lernen kann. Eine Zusammenfassung finden Sie hier: link)

Schöner Meme-Hijack und Response auch vom Autobauer Mercedes-Benz für seine Marke Smart: Nachdem ein User auf Twitter die Banalität geschrieben hatte, dass ein Vogel seinen Smart mit seinem Kot ruiniert habe, antwortete Smart auf Twitter mit einer Infografik: Um einen Smart tatsächlich zu ruinieren, reiche der Kot eines einzigen Vogels nicht aus, sondern es seien vier Millionen Tauben oder 360.000 Truthähne oder 45.000 Emus nötig. Eine humorvolle Antwort, die im Netz die Runde machte – sympathisch und spontan.

Was sind Memes?

1976 verwendete der Evolutionsbiologe Richard Dawkins erstmals den Begriff »Meme« (deutsch »Mem«) in seinem Buch »The Selfish Gene« als Analogon zum »Gen«. Dawkins bezeichnet damit Ideen, Überzeugungen und Verhaltensmuster, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und daher ähnlich wie Gene evolutionstheoretisch zu beachten seien.

Die Internetcommunity nutzt den Begriff als »Internet-Meme« ähnlich wie Dawkins zur Erklärung von Phänomenen, die sich evolutionär weiterentwickeln. Gleichzeitig spielt in die Bedeutung aber auch das griechischen »mimeisthai«, das so viel wie »nachahmen« bedeutet, hinein. Internet- Meme sind virale Themen und Ereignisse, die im Netz Nachahmer finden, Hypes, denen es gelingt, eine Gruppendynamik zu erzeugen, die möglichst viele zum Mitmachen motiviert. In den Anfängen von Social-Media waren Facebook und Twitter die wichtigsten Treiber für Internet-Mems, welche von visuellen Memes auf Instagram abgelöst wurde. Heute treibt vor allem eine Plattform diese Form des Content-Duplizierens und Nachahmes voran, wie keine andere: TikTok.

Buchtipp: Wenn Sie sich intensiver mit „Memes“ auseinandersetzten wollen – theoretische und praktisch, dann empfehle ich Ihnen sehr ein kleines Büchlein von Dirk von Gehlen. Von Gehlen leitet das Social Media/Innovation Team der Süddeutschen Zeitung und er ist ein wunderbarer Beobachter, Kritiker und User des Internets. In seinem Buch „Meme – Digitale Bildkulturen“ erklärt er dem Laien die Faszination dieses seltsamen Internetphänomens.

In den Kinderschuhen

Real-Time-Management und Meme-Highjacking und Trittbrettfahrer … sind sicher die schwierigsten Werkzeuge des visuellen Storytellings. Nur wenige Unternehmen und Marken wagen sich auf dieses neue Feld. Doch neue Techniken wie „AR“, „VR“, KI, Geolocation, Targeting etc. werden diese Art der Kommunikation zukünftig attraktiver und praktikabler machen. Unternehmenskommunikation und Marketing werden damit in der Lage sein, ihrem Publikum individuelle Geschichten zu präsentieren, passend zu ihrer Lebenssituation, aktuellen Stimmungslage und passend zu dem Ort, an dem sie sich gerade befinden – und zu den aktuellen Gerüchten und Memes, die die Menschen gerade bewegen.

Ach ja ... und es gibt heute schon ein paar Helferchen, mit denen man sich dazu informiert halten kann. Zum Beispiel mit QuickMeme – diese Webseite sammelt Internetphänome. Die Süddeutsche Zeitung erklärt auch immer mal wieder aktuelle Memes. Und der Meme-Generator hilft Ihnen, die richtigen Memes aufzugreifen.

Trittbrettfahrer sind

  • tagesaktuell und in Echtzeit
  • trendy
  • emotional und sympathisch
  • flexibel und spontan
  • humorvoll und mit Augenzwinkern
  • Antworten auf Fragen, die keiner stellt
  • manchmal nicht ganz ernst gemeint
  • Mitläufer und Meme-Hijacker
  • agiles Marketing
  • schnell, vergänglich 



Sie suchen weitere Praxisbeispiele zum Thema Storytelling und Visual Storytelling? Dann lesen Sie weiter in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: „Visual Storytelling: Visuelles Erzählen in PR und Marketing“ von Petra Sammer und Ulrike Heppel, Verlag O´Reilly. – oder auf diesem Blog: Amazing Stories 


Photo by 傅甬 华 on Unsplash

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