BÜCHER, PODCASTS, FILME - MEINE FAVORITEN IM JAHR 2024

 


zum Lesen

Was ich 2024 lese:


  • Cynthia Fleury, Hier liegt Bitterkeit begraben - Über Ressentiments und ihre Heilung. Suhrkamp 2023. Sorry. Ich gebe auf. Ich habe es wirklich versucht. Aber dieses Fachbuch lässt mich schon nach den ersten zehn kurzen Kapiteln ratlos zurück. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury wird für ihr Buch zum Thema "Ressentiments" gefeiert, denn die Bitterkeit, die im Ressentiment liegt, ist ein widerliches Zeichen der Zeit und unsere Demokratien leiden schwer an ihr. Also wollte ich wissen, was Fleury empfiehlt, um diese Bitterkeit zu überwinden. Aber ich muss meinen Versuch abbrechen. Ich bin einfach zu doof für die Philosophie. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich in diesem Buch - schon auf den ersten Seiten - noch ehe das Thema überhaupt in Schwung kommt - dass ich hier einfach gar nichts verstehe. Nicht mal einen einzigen Satz. Es sind Sätze wie dieser, die mich an meinem Verstand zweifeln lassen: "Die Moderne ist zweifellos der Moment, in dem der Mensch zum Subjekt wird oder sich vielmehr des Begriffs des Subjekts bewusster wird - ein illusionärer und widersprüchlicher Begriff, aber ein Begriff, der den Blick auf eine mögliche Agency eröffnet, den Versuch zum Akteur zu werden, ohne sich über sein eigenes Können zu täuschen." Was? Nach diesem Satz auf Seite 45 gebe ich unwiderruflich auf. Ich werde es niemals bis zu Seite 312 schaffen, die mit dem Satz endet: "Der Geschmack an der Bitterkeit ist auch eine Form der Heilung von Ressentiment". Und bei diesem Schlusssatz beschleicht mich das Gefühl, dass ich, auch wenn ich mehr von Fleury´s Sprache verstehen würde, mir ihre Antworten als unzulänglich erscheinen würden und ich enttäuscht das Buch am Ende zuschlagen würde. Also lasse ich es gleich und bleibe doof zurück. 

  • Jasper Fforde, Grau. eichborn 2014. Wer hätte gedacht, dass Douglas Adams und Walter Moers einen würdigen Nachfolger bekommen. Ähnlich wie in "Per Anhalter durch die Galaxis" oder "Dem Labyrinth der träumenden Bücher" entführt Jasper Fforde seine Leser und Leserinnen in eine ganz wahnsinnige, besser gesagt aberwitzige Welt. In eine Zukunft, in der sich der Status eines Menschen bemisst an seiner Fähigkeit eine bestimmte Farbe, in einer bestimmten Intensität zu sehen. Und so wird aus einer Demokratie eine Chronokratie, die sich letztendlich eigentlich als Schreckensherrschaft und Autokratie entpuppt. Aber bis es so weit ist, folgt man dem Rot-sehenden Eward in eine irre Welt, in der die Menschen verzweifelt nach den letzten Farbresten auf Erden suchen (ach ja und auch nach Löffeln). Klingt irre, ist es auch - aber auch irre gut zu lesen, den der Brite Jasper Fforde verfügt nicht nur über einen feinen Witz, sondern auch die Sprache eines Drehbuchautoren, der eine ganze Welt mit Worten vor Augen führen kann. Sehr lesenswert.

  • Andreas Brandhorst, Zeta. Heyne 2024. Heißer geht´s ja wohl nicht. Es ist März 2024 und ich habe einen 600 Seiten dicken Science-Fiction-Roman durchgelesen, der im Februar 2024 erschien. Brandhorst ist ja ein extrem fleißiger Autor - sein Genre ist Science-Fiction. Und in seinem neuesten Roman nähert sich ein Objekt der Erde, dem Aussehen nach ein Asteroid, doch handelt es sich um ein Raumschiff, das seit Äonen auf einer Mission durch das Weltall ist. Die Menschen nennen es "Zeta" und die Ausserirdischen, die hinter Zeta stecken, lassen sich nur schwer greifen, da sie in unterschiedlichsten Formen existieren können. Ganz so wie auch Zeta im Inneren ständig seine Form ändert. Brandhorst umspannt mit seinem Roman eine ähnlich lange Zeitspanne wie die Tris-Triologie. Auch bei den Drei Sonnen von Liu Cixin muss man ganz schön lange Zeiträume im Blick behalten. Brandhorst konstruiert da einfacher, den die Haupthandlung bleibt ziemlich konkret. Die Erde ist aber längst nicht mehr der einzige von Menschen besiedelte Planet, auch der Mars ist jetzt eine Erden-Kolonie, sowie einige kleinere Monde. Und schon entspinnt sich zwischen den Welten eine Konkurrenz. Spannender wäre sicher gewesen, das gegenseitige Gerangel um die Vorherrschaft in dieser komplexen Welt genauer zu beleuchten, aber Brandhorst reißt diese Konflikte nur kurz an, um sich dann ganz den fantastischen Welten innerhalb von Zeta zu widmen. Die Auflösung am Ende ist fantasievoll, aber dann doch auch ein bisschen sehr einfach, denn - achtung Spoiler - alle sterben... und dann doch nicht.

  • Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser, Triggerpunkte - Konsens und Konflikte in der Gegenwartsgesellschaft. edition suhrkamp, 2023. Es gibt Bücher, die treffen irgendwie den Nerv der Zeit. Plötzlich hört man überall von ihnen. Ich bin über "Triggerpunkte" gestolpert durch eine Buchrezension, horchte aber auf, als Meeresbiologin Antje Boetius im Zeit-Podcast "Alles Gesagt" auch plötzlich von diesem Buch sprach. Brand aktuell das Ganze also. Zunächst sei aber angemerkt, dass es ein Buch ist, bei dem Sie Geduld mitbringen müssen. Die Soziologen Mau, Lux und Westheuser meinen es ernst mit ihrer Analyse der deutschen Befindlichkeit im Jahre 2023. Doch dann kann man sich ein klein bisschen freuen, denn sie weisen nach, dass die deutsche Gesellschaft noch weit entfernt ist vom dem amerikanischen Horror-Szenario der gesellschaftlichen Spaltung. Wir Deutsche sind uns einiger, als wir denken. An was sich aber unsere Debatte entzündet, das sind ganz bestimmte Konfliktzonen und sogenannte "Triggerpunkte", die die Diskussion hochkochen lassen. Ach wäre es schön, wenn man während eines hitzigen Wortgefechtes einfach nur in die Runde ruft "Achtung! Triggerpunkt!", und alle wissen Bescheid, was gemeint ist, beruhigen sich und widmen sich wieder dem kultivierten Austausch von Sachargumenten. Leider ist die Welt aber nicht so akademisch. Und die Trennlinien gehen wild mitten durch alle Schichten. Denn - und das ist mein ganz persönliches Highlight in diesem Buch - wir echauffieren uns vor allem an Ungleichheiten - und das in vier verschiedene Richtungen: "Oben-Unten-Ungleichheiten", "Innen-Außen-Ungleichheiten", "Wir-Sie-Ungleichheiten" und "Heute-Morgen-Ungleichheiten". So klar und einfach erklären uns Soziologen die schwellenden Konfliktherde unserer gesellschaftlichen Debatte. Jetzt müssen wir nur noch dazulernen - und besser damit umgehen. 

  • Florian Schroeder, Unter Wahnsinnigen - Warum wir das Böse brauchen. dtv, 2023. Ich hab das Buch nur wegen dem Titel gekauft. Und habe es nicht bereut. Schroeder, Satiriker und Parodist, meint es mit seinem Buch ganz ernst: er begibt sich zu den wirklich Wahnsinnigen, die zwar in Gefängnissen, im Irrenhaus oder auf dem Kriegsfeld stehen - aber doch irgendwie auch unter uns sind. Er trifft Soldaten, gewaltbereite Männer, schizophrene Frauen, Rechtsradikale, untreue Ehemänner und Frauen der letzten Generation und sucht bei allen nach den Spuren des "Bösen", von dem im Internet so viel die Rede ist. Und mit allen kann er irgendwie eine Verbindung aufbauen - und dies Verbindung auch zu uns, zum Leser, knüpfen. So wird das "Böse" irgendwie relativ und einsehbar und weniger dämonisch. Ein Buch, das alle lesen sollten, die es wirklich ernst meinen mit der Toleranz. Sehr empfehlenswert und sehr gut lesbar.

  • Daniel Kehlmann, Lichtspiel. Rowohlt, 2023. Ui, dieses Buch hat richtig Wellen geschlagen. Menschen, von denen ich niemals gedacht hätte, dass sie sich jemals mit so etwas auseinandersetzen würden, wie "der deutsche Film der 20er bis 40er Jahre", schwärmen plötzlich von Daniel Kehlmanns neuem Buch "Lichtspiel". Ein Buch über den Regisseur G.W. Pabst, den man allein schon wegen eines Klassikers der deutschen Filmgeschichte kennen sollte: Die freudlose Gasse". Die Faszination liegt aber wohl nicht so sehr im Thema oder etwa an der Person G.W. Pabst. Der war gar keine so schillernde Figur (ich habe meine Magisterarbeit über einen seiner Film geschrieben, über "Westfront 1918"). Ich glaub der Hype um dieses Buch liegt eher an dem - aus meiner Sicht - neuen Schreibstil von Kehlmann. Im Gegensatz zu seinen Bestsellern "Die Vermessung der Welt" oder "Tyll" liest sich sein neuester Roman irgendwie viel lockerer und leichter (auch wenn es um dunkle Zeiten geht - ähnlich wie in "Tyll"). Das Buch liest sich fast wie ein Drehbuch. Vielleicht ist das aber auch Absicht. Kehlmann nähert sich vielleicht so bewußt seinem Stoff. In einer Szene trifft Pabst zum Beispiel - fiktiv - auf Goebbels. Der diabolische Kulturminister des dritten Reichs überzeugt Pabst, künftig für die Nazis zu arbeiten. Der Dialog könnte eins zu eins in einem Drehbuch stehen - Christoph Walz auf den Leib geschrieben. Diabolisch, sarkastisch, eine Szene, die von Quentin Tarantino inszeniert sein könnte. Wie auch immer, dieses Buch ist "leichte Kost". Und besticht - finde ich - vor allem durch seine wunderbaren Konstruktionen. Von Kapitel zu Kapitel wird die Perspektive gewechselt, Vorfälle, Gegenstände und Personen, die man in einem Kapitel kennengelernt hat, tauchen in einem anderen überraschend wieder auf und am Ende bietet der Plot dann auch noch einen herrlichen Überraschungscoup. Für meinen Geschmack, ein bisserl arg konstruiert. Einfach zu schön, um wahr zu sein. Und das ist dann mein letzter Hinweis: Achtung k(ein) "Historienroman". Bitte nicht glauben, was da drin steht. Kehlmann baut zwar, wie ein guter Chronist, die Filmographie von G.W. Pabst sauber ein und auch die Namen und Zeitgenossen, mit denen er gearbeitet hat... und doch ist dies keine Biographie und keine Dokumentation der tatsächlichen Geschehnisse, sondern nur ein fiktiver Roman.

  • David M Boje, Storytelling Organizations. SAGE 2008. Dieses Buch ist das genaue Gegenteil zu Ralph Stiebers "Storyseller" (siehe weiter unten in dieser Liste). Stieber bietet ein pragmatisches Ratgeberbuch mit jeder Menge Binsenweisheiten. Wenig fachlich oder gar wissenschaftlich belegt. Aber einfach zu lesen und durchaus inspirierend. Das genaue Gegenteil ist das Buch von David M Boje, US-Professor für ... ja, was eigentlich... auf jeden Fall: Management und damit verbunden "Storytelling für Unternehmen". Boje hat das Thema narratives Management und Corporate Storytelling zu seinem Fachbereich gemacht und so schreibt er auch. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die zugeben muss, dass man manchen Satz von ihm zwei oder gar drei Mal lesen muss. Und das liegt nicht am Englischen (oder auch). Boje entwickelt nicht nur seine eigene wissenschafteliche Thesis zum Thema, sondern führt gleich auch noch ein ganz eigenes Vokabular ein wie z.B. Antenarrative. Storytelling Organizations ist eines seiner Klassiker - er hat über 17 Bücher zum Thema Narratives Management verfasst und gehört auf diesem Gebiet sicher zu den fachlichen Größen. Wäre da nicht sein Hang zum Spirituellen und zum Schamanismus... all dies, verbunden mit der hochkomplexen Denke seiner Bücher ... machen es mir schwer, ihm zu folgen und damit auch den tatsächlichen Mehrwert aus seinen Thesen zu ziehen. Aber das ist ganz allein mein Problem.  

  • Klaus Fog / Christian Budtz / Baris Yakaboylu, Storytelling - Branding in Practice, Springer 2005. Es ist ja unglaublich, dass dieser praktische Ratgeber für Branding und Storytelling aus dem Jahr 2005 stammt. Wie wenig fand es Gehör. Oder Anwendung. Es sollte über zehn Jahre dauern, bis die meisten dieser Tipps in der Praxis von Marketing und Unternehmenskommunikation angekommen sind. Fog, Budtz und Yakaboylu waren ihrer Zeit weit voraus. Daher liest sich heute - fast zwanzig Jahre nach Erscheinen des Buches - alles wie eine Selbstverständlichkeit. Und doch ist es wert, einen Blick in dieses Buch zu legen, denn einfacher kann man Storytelling gar nicht erklären. Und es werden einige Kunden-Beispiele und Marken-Stories als Anschauungsmaterial erwähnt, die später in der Fachliteratur immer und immer wieder Beachtung finden werden. Man könnte fast sagen: dieses Buch ist die Quelle von so einigen Büchern über Storytelling, die später folgend sollten.

  • Ralph Stieber, Storyseller - Teil 2 Wie Marken zu Bestsellern werden, Fachbuch, 2023.  Eigentlich sollte man nie mit Teil 2 beginnen. Denn vielleicht hat der Autor sein Pulver in Teil 1 schon verschossen und hat nur aufgrund des großen Erfolges dann einen Teil 2 drauf gesetzt. Ohne Teil 1 von Ralph Stieber gelesen zu haben, vermute ich das. Denn "Storyseller" ist ein Buch, das viel verspricht - Tools, Templates, Workshopideen - und dann aber wenig einhält. Das Buch ist eine Sammlung bekannter Storytellingbeispiele. Aufgelistet und beschrieben werden Memes, YouTube-Videos und Markenstories, die man auch in anderen Storytelling-Büchern wiederfindet und bindet in einer Hashtag-Reihe 40 Gedanken zum Thema Storytelling aneinander, die Stieber "Tools" nennt. In erster Linie sind die 40 Kapitel aber keine Tools, sondern Ideen, Beobachtungen, Ansätze, Grundgedanken rund um das Thema Storytelling und Marke. Stieber ist Werber und so ist das Buch auch geschrieben - plakativ, attraktiv und unkompliziert. Die Sprache liest sich, wie ein einziger LinkedIn-Feed - vieles wird wiederholt, manches ist in Großbuchstaben gesetzt, unterbrochen von einigen schönen Bildern. Der Vahlen-Verlag hat sich durchaus Mühe gegeben bei der Optik dieses kleinen Ratgebers. Und genau so kann man das Buch von Stieber auch flott lesen - als Ratgeber, der viele Tipps parat hält (und schöne Beispiele), die man schon kennt - aber es ist doch gut, dass man an sie erinnert wird, wenn man auf der Suche nach einer guten Story ist.

  • Bonnie Garmus, Eine Frage der Chemie. Roman, 2023.  Das Jahr 2024 starte ich mit Fiction. Eigentlich untypisch für mich, denn es fällt mir immer ein bisschen schwer eine selbsterfundene Erzählwelt anzunehmen und mit dem Protagonisten einfach mitzugehen ... wissend, dass alles gar nicht wahr ist. Bei Bonnie Garmus geht es mir nicht anders. Sie erzählt die Welt von Elizabeth Zott, einer Frau, die gegen den Zeitgeist, eine Wissenschaftlerin sein will und über den Umweg der Fernseh-Köchin zu ihrer eigentliche Berufung findet: denn schließlich ist sie Chemikerin. Mir kommt der Roman arg konstruiert vor. Und doch ist er sicher zu Recht auf der Spiegel-Bestseller Liste und Liebling der Hörbuchfans. Kann man lesen. Muss man aber nicht. Für mich war´s ein guter Start ins neue Jahr.


auf die Ohren

Lieblingspodcasts:


  • 5 Minuten Goethe - ein ganz wunderbarer Podcast der Goethe-Gesellschaft und Klassik Stiftung Weimar. Mit diesem kleinen Wissen rund um Goethe, sein Werk und seine Zeit, wird man nicht nur schlauer, sondern auch ein kleines bisschen weiser. Ein kurzweiliger und unaufgeregter Podcast, der ganz ohne das übliche Gelaber auskommt.

zum Glotzen

Filme & Serien - sehenswert:

  • The Bear: King of the Kitchen. Serie. Disney+. Zugegeben, diese Empfehlung ist nicht wirklich außergewöhnlich. Schließlich wird die Serie rund um den Sternekoch Carmy, der das Sandwich-Restaurant seines Bruders übernimmt, einfach überall gelobt. Aber so ganz einfach macht es einem die Serie nicht. Dann man muss sich schon ein bisschen Zeit nehmen und Mühe geben, um in den Erzählstil dieser Serie einzutauchen - und Lust und Laune haben an den schnellen Schnitten, der rohen Sprache und der stressigen Szenerie, die einem die Welt der Profi-Küche, Köche und Köchinen eindrucksvoll nahebringt. Wenn man aber mal drin ist ... großartig erzählt.

Übrigens ...

Vielleicht haben Sie Lust, einige Bücher zu lesen, die ich selbst geschrieben habe. Eine Übersicht finden Sie hier: Bücher und Publikationen von Petra Sammer

Lust auf noch mehr Literaturempfehlung? Dann schauen Sie doch kurz rein - 20232022 und 2021 waren auch  spannende Bücherjahr - mit interessanten Fachbüchern und fantastischen Romanen.

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