Da schau her: Hingucker für visuelles Storytelling

 


Ein Bildkonzept, auf das ich Sie aufmerksam machen möchte, ist der augenfällige: »Hingucker«. Das sind Bilder, die ins Auge springen, die zum Hinsehen verführen und deren visueller Reize wir uns nicht entziehen können.

Hingucker sind Bilder, die überraschen, irritieren und provozieren. Sie durchbrechen Sehgewohnheiten und Konventionen. Hingucker sind visuelle Ausrufezeichen mit »Wow-Effekt«. Erstaunt und neugierig stellen wir uns beim Anblick dieser Art von Bildern die Frage »Was ist denn hier passiert?«

Hingucker lassen sich durch unzählige Techniken gestalten, zu den erfolgreichsten zählen „Point of View“, „Perspektivwechsel“, „Wonderlust“, „Disruption“ und „Wortwitz“. Aber der Reihe nach.

Mit eigenen Augen: Point of View

Haben Sie auch den Eindruck, dass es auf Instagram unglaublich viele Bilder gibt, auf denen Menschen ihre eigenen Füße und Schuhe abbilden? Bilder, die von anderen äußerst gerne kommentiert, geliked und geshared werden. Das liegt an einem Phänomen, das die Bildagentur Getty Images »First Point of View« nennt – die Sehnsucht nach Bildern, auf denen wir die Welt aus den Augen eines anderen sehen.

»Point of View Stories« sind Bilder und Videos, die uns an Orte mitnehmen, die wir zuvor noch nie gesehen haben - aus der Ich-Perspektive anderer Menschen (oder auch Tiere). Ein hoher Identifikationsgrad trägt zum Erfolg dieser visuellen Geschichten bei. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der »PoV«-Bilder bei Getty Images um 20 Prozent angestiegen, und neue Technologien wie Wearable Technology werden dieses Bildkonzept auch in Zukunft weiter interessant halten.

Beispiele? Bitte sehr: Feet first: Seit 2005 fotografierte Tim Robbins seine Füße und die seiner Verlobten. Mittlerweile ist das Paar verheiratet und hat zwei Töchter, deren Füße nun auch mit aufs Bild kommen – egal ob in Gummistiefeln auf den Dünen vor Brigthon, in Badeschlapfen am Strand in Griechenland oder gar in Boots im eigenen Haus, dessen Renovierung ansteht. Robins »Fuß-Selfies« haben zahlreiche Nachahmer weltweit inspiriert.

Rewind the Future – Die Story der Antidiabetikerkampagne von strong4life zeigt im Rückwärtslauf, wie man zum Diabetiker wird - aus der Ich-Perspektive wirkungsvoll inszeniert.

Neue Blickwinkel: Perspektivwechsel

Nicht nur die »Ich-Perspektive«, sondern alle ungewöhnlichen Blickwinkel sind ein Erfolgsrezept für »Hingucker«. Spannende Perspektiven bieten Techniken, die ganz nah ranzoomen oder unter die Oberfläche von Dingen blicken lassen. Schöne Hingucker sind zum Beispiel die Arbeit des Röntgenkünstlers Nick Veasey für VW oder die Kamerafahrt auf der Fingerkuppe durch eine Zuckerstadt, die Brita Wasserfilter inszeniert.

Epische Größe: Wonderlust

Mit dem Kunstwort »Wonderlust« bezeichnet iStock Bilder, die zum Staunen anregen und aus diesem Grund reizvolle Hingucker sind. Ein Großteil dieser Bilder zeigt »Größe«, vor allem Landschaften und Naturwunder, in deren Anblick der Betrachter sich als kleiner Teil eines großen Universums fühlt.

»Epic«, ein Begriff aus dem Gamedesign, beschreibt am besten, was diese Bilder auszeichnet: Sie sind atemberaubend, voll von Abenteuer und Magie und stillen unseren Hunger nach »mehr«. Der Anteil der Bilder dieser Kategorie bei Getty Images ist in den letzten Jahren um 30 Prozent gestiegen. Vor allem aber liefert Instagram hier laufend Bilder und fordert Hingucker dieser Art ein.

Überraschend: Disruption

Hingucker entstehen aber auch dann, wenn Unerwartetes zu sehen ist. Das Durchbrechen bekannter Sehmuster ist ein weiteres erfolgreiches Prinzip von Hinguckern: Unser Gehirn ist auf Schlüsselreize trainiert und sucht kontinuierlich nach bekannten Mustern. Werden diese durchbrochen, sind wir überrascht. Werden sie intelligent oder gar humorvoll gebrochen, sehen wir zwei Mal hin und sind positiv überrascht.

Hingucker durchbrechen visuelle Heuristiken, Sehroutinen, mit denen wir uns das Leben erleichtern. In diesem Zusammenhang weist der Kommunikationsberater Dieter Herbst darauf hin, wie wichtig disruptive Bilder für Unternehmen und Marken sind: »Sehen wir ein Bild, prüft unser Gehirn, ob es das Motiv schon einmal gesehen hat und einordnen kann. Gelingt das nicht, weil es alle Unternehmen einer Branche verwenden, wird es dem bekanntesten zugeschlagen – meist dem Marktführer. Dieses Prinzip wird Bekanntheitsheuristik genannt. (...) Dennoch nutzen ganze Branchen austauschbare Bilder.«

Verwenden Sie daher Hingucker, um sich von der Masse abzuheben und Ihrem Publikum intellektuelle Stimulanz zu bieten. Und das ist wortwörtlich zu nehmen.

Ein Beispiel? Der Künstler Christopher Locke narrt unseren Sehsinn, indem er veraltete technische Geräte als »moderne Fossile« zeigt. Wortwitz als Hingucker. Mehr gibt es zu sehen auf https://www.heartlessmachine.com/modern-fossils

Wörtwörtliche Bilder: Wortwitz

Bilder, die bewusst mit der »Bild-Text-Schere« arbeiten, dem Widerspruch zwischen Bild und Text, sind ebenso erfolgreiche Hingucker. Dabei geht es vor allem um Doppeldeutigkeit und Wortwitz.

Es sind Bilder, die die Kombination aus Text und Bild nutzen, um dem Rezipienten einen Mehrwert zu bieten. Besonders die Zielgruppe der »Busy Bored«, die im Netz gelangweilt auf der Suche nach Interessantem sind, lässt sich von diesen »Hinguckern« zum Liken und Sharen verführen

Hingucker sind die »Delighter« unter den Bildkonzepten. Wer mit dem von Noriaki Kano 1978 entwickelten Kundenzufriedenheitsmodell vertraut ist, weiß, dass das Kano-Modell Produkte, die ihr Leistungsversprechen nicht nur erfüllen, sondern übererfüllen und dem Kunden überraschend Mehrwert bieten, als »Delighter« bezeichnet. 

Bilder, die mit dem Prinzip des „Hinguckers“ arbeiten, übererfüllen ihre Aufgabe, fordern den Betrachter intellektuell, auf positive Art und Weise, und bleiben daher stark im Gedächtnis haften. Es sind hervorragende Vertreter des visuellen Storytellings.

Hingucker sind ...

  • überraschend
  • irritierend
  • provozierend
  • visuelle Ausrufezeichen
  • optische Überreize
  • Bilder mit Wow-Effekt
  • jenseits konventioneller Sehgewohnheiten
  • Garanten für die Frage »Was ist denn hier passiert?«
  • »Delighter«, die überraschenden Mehrwert bieten


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