Bücher für 2025
Die Aussichten auf das neue Jahr sind grauenvoll. Trump will Grönland übernehmen. Musk verkündet stündlich Quatsch auf X. Die FPÖ in Österreich wird mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine wollen einfach nicht aufhören. China droht mit endgültiger Annexion von Taiwan. Chauvinistische und intolerante Meinungen und Haltungen bekommen mehr und mehr Gehör. Es entsteht der Eindruck, dass alles Gute, dass die Generation vor uns und und auch wir aufgebaut, verteidigt und jetzt für selbstverständlich angenommen haben, dass das alles Stück für Stück wieder abgeschafft wird. Aus Unwissenheit. Aus Ignoranz. Aus Machthunger. Und um den Klimawandel kümmert sich - gefühlt - kaum einer mehr. Willkommen 2025.
Wie werden wir diese Zeit überstehen? Ein Tipp: Lesen, lesen, lesen.
Was lesen? Langformate. Kein snackable Content. Texte, bei denen man nachdenken muss. Nicht schnell drüber scrollt. Texte, die Zeit schenken. Nicht Doomscrolling, mit dem man die Zeit totschlägt. Texte, die Halt geben, die Freude schenken, die inspirieren.
Dies also mein Vorsatz 2025. Los geht´s:
Eliot Weinberger: Neulich in Amerika. Berenberg 2020. Oh Gott, jetzt ist mir schlecht. Wenn man wirklich schlechte Laune bekommen will, dann nehme man sich die Essays und Gedichte von Eliot Weinberger zur Hand. Eliot wird vom amerikanischen und auch deutschen Feuilleton als einer der schärfsten und präzisesten Beobachtern der amerikanischen Seele beschrieben. Mit schonungsloser Sprache dokumentiert und analysiert er, wie sich die USA von innen sehen und von außen wirken. Die erste Hälfte in "Neulich in Amerika" präsentiert Fakten und Aussagen der Georg Bush Ära von 2001 bis 2005. Angefangen vom Wahlbetrug in Florida gegen Al Gore bis hin zum lügenschwangeren Irak-Krieg, dessen Sieg am Ende nur der Beginn einer noch größeren Katastrophe war: der Festigung und Stärkung des IS-Terrors. Irgendwie hatte ich das alles schon vergessen. Aber ja, es war damals schon furchtbar und kopfschüttelnd sahen wir, wie Amerikaner Georg Bush gewähren ließen. Doch ohne Social Media waren wir einfach nicht so nah dran, wie heute an Trump & Co. Aber Weinberger lässt es mit Bush nicht bewenden, sondern packt dann noch eine zweite Hälfte an Essays und Zitaten dazu - alle aus der ersten Präsidentschaft Trumps. Und wieder nur Kopfschütteln. Ich muss auch gestehen, ich konnte es nicht zu Ende lesen. Zu schlimm ist das Grauen in diesen - wahren - Zeilen.
Andreas Brandhorst: Der Riss. Wie real ist unsere Wirklichkeit. Heyne 2024. Also eines muss man Andreas Brandhorst lassen: er ist fleißig. An die 50 oder gar 60 Romane hat er bereits publiziert - da ist Der Riss von 2024 also nur einer von vielen. Und so liest er sich dann allerdings. Interessant ist das Thema: das, wie er selbst im Nachwort schreibt, bereits uralt ist. Bereits im 17. Jahrhundert beschäftigten sich Philosophen und Autoren mit der Vorstellung einer "Scheinwelt" und der Idee, dass unsere Realität gar nicht real ist. Seither wird der Stoff der "Simulation" in unzähligen Werken thematisiert. Brandhorst reiht sich also in eine berühmte Reihe ein (die mit der "Unendlichen Geschichte" ihr kinderfreundlichstes und mit "Matrix" ihr populärstes Werk hat). Leider macht Brandhorst wenig daraus dem Stoff, beschränkt sich auf eine extrem dünne, actiongeladene Handlung und lässt den Leser ziemlich allein mit möglichen Hintergedanken. Eine schnelle Urlaubslektüre, die man schnell auch wieder vergessen wird.
Dirk Oschmann: Der Osten: eine westdeutsche Erfindung. Ullstein 2024. Es ist wirklich selten, dass man nach dem Lesen eines Buches, sein Weltbild verändert. Aber dieses Buch des Literaturprofessors Dirk Oschmann schafft es. Eigentlich war ich schon von seiner Lesung in Erfurt begeistert - und komplett überrascht. Niemals hätte ich gedacht, dass sich mein - zutiefst westdeutscher Blick - auf Ostdeutschland, auf die Neuen Bundesländer bzw. Ex-DDR so verändern würde. Und dass ich mich so ertappt fühlen würde, genau dem Klischee des typischen "Wessis" genügen würde, obwohl ich mich niemals als "Wessi" definieren würde. Und allein das ist dann schon wieder ein typisches Rollenverhalten. Die Beziehung zwischen West- und Ostdeutschland ist kompliziert. Wie sehr kompliziert, das führt einem Dirk Oschmann mit einer ordentlichen Prise Zynismus, Sarkasmus und Wut vor Augen - und zwar ganz zurecht. Das Buch sollte Pflichtlektüre werden - für jeden und jede Wessi.
Philipp Blom: Aufklärung in Zeiten der Verdunkelung. Brandstätter 2024. Ganz zum Schluss des Jahres gibt es noch ein Highlight - wenn nicht sogar: das Highlight meiner Bücherliste 2024. Philipp Blom versucht Trost und Hoffnung zu spenden, in einer Zeit, in der man denkt, alles wird immer nur dunkler und schlechter. In einer Zeit, in der man das Gefühl hat, die Aufklärung sei endgültig zu Ende und wir starten wieder mit Mythen und Heilsversprechungen und Quatsch. Weil wir anscheinend überdrüssig der Fakten und Informationen geworden sind und ohnehin niemandem mehr vertrauen. Besser also "glauben" als "wissen". Genau da holt der Philosoph Blom uns ab. Und räumt erst einmal mit dem Begriff "Aufklärung" auf. Bevor man den Abgesang auf etwas einläutet, sollte man schon wissen, was man da eigentlich beschreibt oder gar verehrt. Denn beim Rückblick auf die Anfänge der Aufklärung im 17. Jahrhundert war auch nicht alles rosig. Interpretationsspielraum überall. Aber was helfen uns diese philosophischen Gedanken heute? Ziemlich viel, denn Blom erläutert dem Leser die wichtigsten Kriterien der Aufklärung - und interpretiert sie neu für das 21. Jahrhundert: Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Ja genau: das steckt das Motto der französischen Revolution drin - und damit sind wir beim Herzstück des Buches, das in sich ein großer Lesespaß ist. Erschienen im Brandstätter Verlag ist das Buch optisch eine Augenweide - wunderbar gestaltet und modern strukturiert. Denn der Text jedes der sechs Kapitel ist mindestens doppelt so lang, da man die Fußnoten, die am Ende jedes Kapitels angeführt werden, unbedingt mitlesen muss. Jede Fußnote als gedruckter Hyperlink in eine weitere Gedankenschleife - so nimmt Blom sein Publikum mit in die Gedankenwelt eines Philosophen und in eine Neue Zeit - die eben nicht linear ist, sondern vernetzt.
Übrigens ...