Können KI-Modelle Storytelling?

 


- ein Gastbeitrag von Simon Cipa

Seit Bestehen der Menschheitsgeschichte erschließen wir uns die Welt über Geschichten. Religionen, Ideologien und Gesellschaftssysteme basieren auf gemeinsamen oder konkurrierenden Erzählungen. Nicht nur Marketing und Journalismus nutzen die Erkenntnis über den Menschen als erzählendes Wesen, um mit Storytelling ihre Botschaften an ihr Publikum zu bringen.

Mit dem Aufkommen von immer ausgefeilterer Künstlicher Intelligenz (KI) stellen sich viele Kommunikatoren die Frage, ob KI-Storytelling funktionieren kann. Vermag es eine Maschine, genauso kreativ und mitreißend zu erzählen wie ein Mensch?

KI-Storytelling: Statistik vs. Kreativität

Zahlreiche Wissenschaftler und Fachtagungen haben sich in der letzten Zeit mit den Potenzialen des KI-Storytellings befasst. Das Fazit fällt ähnlich aus und lautet verkürzt: Geschichten erzählen kann der Homo sapiens (noch) besser als die KI. Künstliche Intelligenz ist sehr gut darin, Statistiken zu nutzen und Muster zu erkennen. Was ihr schwerfällt, ist, kreativ zu sein.

Mit Blick auf Storytelling bedeutet dies, dass KI sehr wohl erkennt, nach welchen Schemata menschliche Erzählungen aufgebaut sind. Und da liegt das Problem: KI reproduziert, statt selbst zu erfinden. Einen Krimi nach dem Schema-F wird eine KI verfassen können. Auch die 08/15-Liebesromanze, in der sich zwei verwandte Seelen kennenlernen, aber erst über Umwege zueinander finden, am Ende aber alle glücklich sind, kann eine KI zu Papier bringen. Unerwartete Wendungen und genreuntypische Elemente wird man in diesen Texten aber nicht finden. Denn beim KI-Storytelling wird das bestehende Textkorpus analysiert und Wörter und Erzählbilder werden in lediglich neuer Reihenfolge kombiniert – vereinfacht erklärt.

Bücher und Drehbücher, die jedoch nicht dem Standard-Aufbau folgen, kann KI bisher noch nicht verfassen. Denn das erfordert Kreativität – und Kreativität ist eben nicht der Modus, in dem KI arbeitet. Kreativität ist praktisch das Gegenteil von Statistik. Während Statistik das abbildet, was für gewöhnlich eintritt, schafft Kreativität das ungewöhnliche, das neue. KI wird mit Statistik, die – das ist die Natur der Sache – auf der Vergangenheit beruht, gefüttert und leitet daraus Schlüsse für die Zukunft, beziehungsweise zukünftige Aufgaben, ab. Deshalb gelingt es KI-Storytelling auch sehr gut, den Stil bestimmter Genres und Texte zu reproduzieren.

„Harry riss sich die Augen aus dem Kopf ...“

Den nächsten Epos mit einer Kragenweite von erzählerischen und kreativen Meisterwerken wie Herr der Ringe und Harry Potter oder auch (KI-)Dystopien wie Blade Runner kann KI allein nicht erschaffen. Versuche zeigten, dass KI-Storytelling beim Versuch, Texte dieser Art nachzuahmen, zwar durchaus „kreativ“ ist, dabei aber der Sinn verloren geht.

Die Handlung von Harry Potter war für die KI der Botnik Studios scheinbar so unerwartet, dass diese in einem KI-geschaffenen Harry-Potter-Kapitel schrieb: „Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.“ Grammatikalisch ist dieser Satz korrekt, die handelnden Personen kommen uns ebenfalls bekannt vor. Dass sich Harry die Augen aus dem Kopf reißt, ist jedoch eine Form von Kreativität, bei der der Sinn leider völlig verloren geht.

Man kann nicht alles haben – oder man nennt das Ganze kafkaesk. Wobei Kafkas Werke ein interessanter Streitfall sind: KI-Storytelling wäre wohl nicht in der Lage, ähnliche Erzählungen zu ersinnen. Im Ergebnis sind Franz Kafkas Texte für die meisten Menschen wohl genauso absurd wie die willkürlich zusammengewürfelten Harry-Potter-Kapitel der Botnik-KI.

KI-Storytelling als Chance für PR und Marketing

Doch führen wir den Blick vom KI-Storytelling im literarischen und cineastischen Bereich zurück ins Marketing. Hier geht es ja nicht darum, den nächsten Harry Potter zu verfassen, sondern durch Storytelling Emotionen zu wecken und so Aufmerksamkeit zu generieren. Und dabei kann KI-Storytelling eine gute Stütze sein.

KI erkennt wie bereits erläutert sehr gut, welche Bilder und welcher Ton bei Menschen Emotionen auslösen – ohne natürlich die Emotionen selbst entschlüsseln oder nachvollziehen zu können; auch hier geht es wieder um Statistik und Muster. So kann KI aus trockenen Texten anschauliche Erzählungen machen und Textern Hilfestellung geben, um ihre Texte lebendiger und mitreißender zu gestalten.

Zudem erkennt KI, was bei der Zielgruppe gut ankommt, und kann Texte entsprechend optimieren. So können dank KI-Storytelling datengetrieben effektive Erzählungen entwickelt werden. Hier gilt natürlich: je größer der Datensatz, desto treffsicherer das Ergebnis. Das heißt, dass KI gut darin ist, um das Storytelling für große Zielgruppen zu optimieren. Bei kleineren Zielgruppen, vor allem im B2B-Bereich, kann KI-Storytelling auch schonmal falsch abbiegen, weil der verfügbare Datensatz schlicht zu klein ist für treffsichere Ergebnisse. Hier ist die Wahl der Tools und die Reflektion über deren Ergebnisse entscheidend, um Vorteile für das Storytelling zu generieren.

Für Unternehmen wird es entscheidend sein, wie effektiv sie insbesondere Content-Marketing-Tools zur Analyse von Texten und präskriptive Tools zur Inhaltsoptimierung nutzen. Rein autonome KI-Systeme, sogenannte Recommendation Engines, die bereits in der Lage sind, kleine Geschichten zu entwickeln, sind dann der nächste Schritt.

Fazit: KI-Storytelling hat Potenziale und Grenzen – bisher

KI-Storytelling hat gerade im Marketing viele Potenziale, um Texte zielgruppen- und leserfreundlicher zu gestalten. Für die großen Storys – und die gibt es ja auch im Marketing – braucht es weiterhin das menschliche Hirn. Letztlich muss aber dieser genau wie allen anderen Einschränkungen, die hier für KI-Storytelling beschrieben wurden, ein „bisher“ vorangestellt werden.


Über den Autor

Simon Cipa ist Gründer und Inhaber der Stuttgarter Design-und Markenagentur cipa+co. Der Kommunikationsdesigner war zunächst als Freelancer und Angestellter tätig, bis er 2014 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Seitdem hat Simon Cipa sowohl ein starkes Team als auch einen deutschlandweiten Kundenstamm aufgebaut. Zusammen mit seinen drei Kollegen unterstützt er kleine und mittelständische Kund:innen beim strategischen Aufbau ihrer Marke und der Markenentwicklung.

Das Brand Design ist ein wesentlicher Bestandteil der Beratungsleistungen von cipa+co. Als strategischer und kreativer Kopf der Agentur und ausgebildeter Kommunikationsdesigner hat Simon Cipa bereits für zahlreiche Kund:innen die Entwicklung und Umsetzung des Brand Designs übernommen. Durch seine jahrelange Erfahrung weiß er, worauf es ankommt, wenn Marken erfolgreich und konsistent kommunizieren wollen.

Doch nicht nur beim Brand Design bietet cipa+co maßgeschneiderte Lösungen. Die Agentur verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz mit 360° Branding. Für seine Kund:innen entwickelt das Unternehmen ganzheitliche Marketingstrategien und setzt Design und Aussteuerung zielgerichtet auf verschiedenen Medienkanälen um. Neben der Markenberatung und -entwicklung gehören auch Screendesign / UX Design, Webentwicklung und SEO zum Leistungsportfolio der Agentur. Die Agentur berät und unterstützt vor allem Kund:innen aus den Bereichen Bau, Automotive, Einzelhandel, Food, Handwerk, Industrie, Möbel, Textil sowie Hochschulen und öffentliche Institutionen.


Most Popular Blogposts

Kontakt zu Petra Sammer

Name

Email *

Message *