Werkzeuge des visuellen Storytellings


Die fünfjährige Maria riss erstaunt die Augen auf. Sie war die erste, die die Tierbilder entdeckte: Hirsche, Bisons, Pferde und Wildschweine. Der Eingang zur Höhle war gerade mal einen Meter hoch, und so war es für die kleine Maria eine Leichtigkeit gewesen, mit einer Fackel in den dunklen Raum zu schlüpfen.

Marias Vater, Don Marcelino Sanz de Sautuola, war Naturwissenschaftler und Besitzer eines Grundstücks in der Nähe von Santillana del Mar im spanischen Kantabrien, in dem die Höhle lag. Ein Jäger hatte den Grundbesitzer informiert, nachdem dessen Jagdhund plötzlich in der Höhe verschwunden war. Don Marcelino begann sofort, die Höhlenbilder systematisch zu untersuchen. Schon früh hatte er den Verdacht, auf etwas Prähistorisches gestoßen zu sein. Doch die Fachwelt zweifelte. Als »vulgären Streich eines Schmierers« bezeichnete der französische Prähistoriker Émile Cartailhac die Malerei und weigerte sich, die Höhle zu besichtigen.

Erst 23 Jahre später, als ähnliche Malereien in Font-de-Gaume in Frankreich entdeckt wurden, gelangte die Höhle zu dem Ruhm, der ihr gebührt. Die kleine Maria hatte 1868 eines der ältesten und am besten erhaltenen Beispiele für visuelles Storytelling entdeckt: die Altamira-Höhle.

Für den Historiker und Autor des Buches »The Storytelling Animal. Why Stories Make Us Human«, Jonathan Gottschall, sind es die Geschichten, die uns Menschen von Tieren unterscheiden. Er macht die Entwicklung der Menschheit maßgeblich an der Fähigkeit fest, dass wir uns – zur Weitergabe von Wissen, aber auch zur Unterhaltung – Geschichten erzählen, weiterreichen und auch visuell darstellen. Die Bewohner der Altamira-Höhle hatten ihre Behausung von 16.000 bis 11.000 v. Chr. mit Abbildungen und Symbolen ihres Alltags, ihrer Mythen und ihrer Geschichten bemalt.

Noch älter waren die »Handabdrücke von El Castillo«, entdeckt in einer anderen Höhle unweit der Altamira Höhle. Sie entstanden vor über 40.000 Jahren und sind wohl das älteste Kunstwerk der Menschheitsgeschichte.
Videotipp: Jonathan Gottschalls TED-Talk »How Stories make us human«, zu sehen auf YouTube unter http://ow.ly/MttI1.

Buntstifte der Steinzeit

Doch wie kam diese Kunst zustande? Welche Werkzeuge und Mittel standen den Menschen damals zur Verfügung? Nicht nur Maria, das fünfjährige Mädchen, das in der Altamira-Höhle vor den fantastischen Höhlenbilder stand, staunte darüber, wie diese Bilder wohl erschaffen worden waren. Ausgrabungen und chemische Analysen belegen den Erfindungsgeist der Menschen der Jungsteinzeit.

In der prähistorischen Kunst kamen unterschiedlichste Werkzeuge zum Einsatz. Als Farben wurden Holzkohle und Mineralfarben wie Rötel, das aus Ton, Kreide und Eisenoxid besteht, genutzt. Auch schwarze Manganerde und verschiedene Erdfarben wie Ocker, ein Gemisch aus Tonmineralien, Quarz und Kalk, wurden eingesetzt. Der Cro-Magnon-Mensch, der frühe moderne Mensch, nutzte sogar Pinsel, die meistens aus Federn bestanden. Auch gab es bereits eine Art Farbstift, gebaut aus Röhrenknochen, durch die der Farbstoff auf die Wand geblasen wurde. Und schließlich wurden Konturen mithilfe von Sticheln und Klingen in die Wände geritzt und graviert.

Kohlestift und Mineralfarben kommen auch heute noch zum Einsatz, doch hat sich der Werkzeugkasten des visuellen Storytellings seit der Steinzeit bis zum Rand mit weiteren Instrumenten und Techniken gefüllt.

Was mit einem einfachen Holzkohlestrich an einer Höhlenwand begann, entwickelte sich weiter zu Malerei, Grafik, Fotografie, Cinematographie, Multimediaformaten, Games und Virtual-Reality- Storys.

Ein Blick in diese moderne Werkzeugkiste lohnt sich, denn einige der Instrumente wie Typographie, Bildbearbeitung, Animation oder Motion Graphics haben die Kunst des visuellen Storytellings entscheidend geprägt und verleihen ihr neue Ausdrucksformen.

Viele dieser Tools gehören längst zum selbstverständlichen Handwerkszeug professioneller Kommunikatoren in Public Relations und Marketing. Einige dieser Werkzeuge werden auch in Zukunft einen entscheidenden Einfluss auf das visuelle Storytelling haben und Unternehmen und Marken neue Möglichkeiten des Corporate Storytelling eröffnen. Daher lohnt sich auch für Profis ein genauerer Blick. Statt Schraubenzieher, Hammer und Bohrmaschine gilt es, Grafik, Infografiken, Foto, Film, Multimedia und vor allem interaktive Medienformate zu entdecken.


Mehr dazu in den kommenden Blogbeiträgen – oder in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: „Visual Storytelling: Visuelles Erzählen in PR und Marketing“ von Petra Sammer und Ulrike Heppel, O´Reilly.


Photo by Cesar Carlevarino Aragon on Unsplash

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