Nichts geht mehr: Theater & Performance Art in Zeiten von Corona


Während die Verschwörungsmysthiker auf Marktplätzen und im Netz immer mehr Theater machen, bleibt es auf Deutschlands Bühnen nach wie vor dunkel.

Diese Woche des CreativityMay, in der ich der Kunst virtuell nachspüre, geht es um Theater & PerformanceArt. Und leider muss ich sagen, dass diese Woche unter keinem guten Stern stand, denn die Theaterleute, Opernintendanten, Choreographen, Tänzer und Ballettkünstler bemühen sich, dem Publikum ein bisschen was zu bieten, aber ihre Mittel sind begrenzt. Covid-19 hat diese Kunstform wirklich am härtesten getroffen.

Aber ich starte am Montag optimistisch und bestelle gleich mal einen Anruf beim Residenztheater in München. „Resi ruf an“ heißt die Aktion, bei der ein Schauspieler oder eine Schauspielerin des Ensembles bei mir zuhause anrufen wird, um mir ganz persönlich vorzulesen - Theater via Telefon. Mein Rückruf findet erst nächste Woche Montag statt, ich bin aber schon jetzt aufgeregt, wer da anrufen wird.

Hier ist also noch Geduld erforderlich, denn ich bin wohl nicht die Einzige, die um einen Rückruf gebeten hat. Aber immerhin habe ich einen Slot bekommen und auf den muss ich auch nicht länger warten als auf meinen nächsten Friseurtermin, der ist auch nächste Woche. Glück muss man haben.

Ausverkauft – trotz und wegen Corona

Weniger Glück habe ich im Theater Oberhausen. Da sind nämlich alle Vorstellungen ausverkauft. Ohne Witz. Gut, ich hätte gar nicht nach Oberhausen fahren dürfen. Aber spannend klingt es schon, was die Regisseurin Paulina Neukampf da inszeniert: Das Stück „Prinzessinnendramen. Der Tod und das Mädchen I-III“ von Elfriede Jelinek kann man in Oberhausen als Walkaround in drei Teilen erlaufen. Dafür bekommt man Audiodateien für sein Smartphone zugeschickt, einen Routenplan, den man in circa vierzig Minuten ablaufen soll und an einigen Haltepunkten findet man Schauspieler hinter Schaufenstern, die Zusatzinfos geben. Was Punchdrunk in seiner revolutionären Inszenierung innerhalb eines Wohnhauses macht, das überträgt das Theater Oberhausen in abgespeckter Form und aufgrund von Kontaktsperre jetzt eben auf den Stadtspaziergang. Klingt wunderbar – und ist in über zwanzig Aufführungen bereits restlos ausverkauft. Im Herbst will man eine weitere Version ausprobieren. Das ist „Spazieren gehen“ statt „ins Theater gehen“. Eine schöne Alternative.

Und auch in München kann ein Theater ausverkaufte Vorstellungen melden: das Residenz macht eine Live-Aufführung von „Lenz“ mit Lisa Stiegler. Hier sitzt das Publikum daheim, nimmt per Zoom live an der Aufführung teil und ist mit offenem Mikrophon dazugeschaltet. 50 Mal will Lisa Stiegler dieses Experiment – inszeniert von Gernot Grünewald - wagen. Die Neugierde an diesem neuen Format ist groß, denn alle Vorstellungen sind bereits ausverkauft.

Zum Wahnsinnig werden

Ansonsten muss man sich um das Residenztheater in München schon Sorgen machen, denn täglich wird auf Facebook das „Tagebuch eines geschlossenen Theaters“ veröffentlicht. Heute ist die Episode 59 und es wird aus „Faust“ die Szene in Auerbachskeller inszeniert – im Home-Office-Stil als skurriles Kasperltheater und in kompletter Sinnlosigkeit. Wenn nicht bald Lockerungen und Theateröffnungen erfolgen, wird man hier wohl dem Wahnsinn anheimfallen.

Weiter zu etwas ganz anderem: Zum Tanz. Hier hat man nicht nur das Problem, dass man nicht gemeinsam auftreten darf, man darf auch nicht gemeinsam Üben, Proben, Choreographieren.

Jeder Tänzer ist auf sich alleine gestellt – und muss in beengten eigenen vier Wänden Lösungen suchen, um sich fit und beweglich zu halten. Tänzern geht es da wie Sportlern, doch es scheint, dass letztere schneller wieder zu Normalität zurückfinden dürfen.

Glück hat auf jeden Fall Erik Gauthier, Tänzer und Choreograph am Theaterhaus Stuttgart. Er hat nicht nur ein großes Wohnzimmer, er hat auch einen Kumpel, der ihn beim Tanzen mit der Kamera begleitet.

Ein Glücksfall auch für uns, denn alle, die – wie ich – mit Tanz bisher nix anfangen konnten – die können jetzt, unter Anleitung von Erik tatsächlich Ballett lernen. Oder so etwas ähnliches. #Wohnzimmerballett heißt sein YouTube-Kanal, auf dem er fröhlich und unterhaltsam zum Mittanzen animiert. Man muss sich Jane Fonda, vor 30 Jahren, als Mann vorstellen. Nur witziger. Hier gibt es alles: ApeDance (kennst du nicht? Tjaaa, ich jetzt schon!), Salsa (also die männliche Variante), CarbonaraDance (die JamieOliver Variante des Tanz) and many more und natürlich der PenguineDance (da bin ich am besten drin).

Jetzt aber zu den Profis

Das erste „Corona inspired“ Tanzvideo – in Zoom (!) - präsentierte die Sängerin Thao Nguyen. Um auf ihre „Thao & The Get Down Stay Down Tour” aufmerksam zu machen, released sie einen ihrer Songs als Musikvideo – produziert mit Tänzern im Home-Office und via Zoom. Herausgekommen ist eine kontaktlose, aber umso kreativere Choreographie, die einfach nur Spass macht.

Ansonsten geht die ganze Tanzszene jetzt wohl ins Netz oder aber raus auf die Strasse. Zahlreiche Performances sind in Vorbereitung – man darf wohl gespannt sein, was da noch kommt.

On Stage wird zu off Stage

In München arbeitet unterdessen Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters, an einem „corona-tauglichen“ Theaterkonzept – und versucht, zu retten, was zu retten ist. Vielleicht hat er heimlich die Hoffnung auf die Oberammergauer Passionsspiele doch noch nicht aufgegeben. Aber der Oberammergauer Gemeinderat hat schon früh die legendären Spiele für dieses Jahr abgesagt. Was nicht so schlimm ist. Seit 400 Jahren führen die Oberammergauer alle zehn Jahre ihre Passionsspiele auf - aus Dankbarkeit, dass die Pest nur mäßig in ihrem Ort wütete. Das erste Mal war dies im Jahre 1634 und in den letzten 400 Jahren ist da terminlich immer wieder mal was durcheinander und dazwischengekommen. Sonst wäre es ja 2024 erst soweit. In Oberammergau können jetzt also aller wieder zum Friseur – wenn die wieder offen haben und dann heißt es eben im nächsten Jahr wieder „Haare wachsen lassen“ für Mai 2022.

Was nicht verschoben wird, das wird dann aber ins Netz verlagert. So weicht auch das Deutsche Theater in Berlin aufs Internet aus und streamt exklusive Online-Inszenierungen. Diese findet man dann als Film auf der Webseite- aber nur in einem bestimmten Zeitfenster. So kommt ein bisschen „Premierenfieber“ auf – zumindest erhöht der Count Down auf dem Bildschirm die Spannung – fast als würde gleich ein Vorhang aufgehen.



Ich suche mir ein ganz spezielles Stück aus: DIE PEST von Albert Camus. Wie passend denke ich – und die Macher im DT Berlin haben sich das sicher auch gedacht. 2019 war das Stück im Deutschen Theater Berlin tatsächlich auf der Bühne und für die „Heimspielzeit“ hat man sich eine eigene Streamversion ausgedacht.



Im Bild zu sehen ist der Schauspieler Božidar Kocevski – nicht in Kostüm und Kulisse, wie 2019 auf der Bühne, sondern in zivil. Er geht durch Berlin und das Theater. Wir begleiten den Schauspieler, wie er treppauf und treppab durch das leere Gebäude läuft, Türen öffnet, Türen schließt. Das Ganze ist nicht wirklich Kulisse, sondern eher begleitender Hintergrund zu einem starken Text. Als Hörspiel hätte es auch funktioniert, doch die Kamera geht dann auch nah ran an die Mimik von Kocevski und das ist dann doch der Beweis, welch wunderbar das Schauspiel ist.



Aber – ganz ehrlich – wir sehen gar kein Theaterstück. Denn das hier, das ist ein Film. Das Theater kapert hier mal fix eine andere Kunst-Art … armes Theater. Nix funktioniert während der Corona-Krise.

Das Gleiche gilt auch für die so hochgelobte Hamlet Aufführung von Sandra Hüller, anlässlich des 57. Berliner Theatertreffen, das komplett online stattfand. Beeindruckende schauspielerische Leistung… 36.000 Menschen sahen sich die Aufführung in der Mediathek an … aber da ist dann doch immer die Kamera. Und somit tue ich mich schwer zu sagen, ob das Theater ist.

Das kann ich dann gleich die nächste Woche starten, denn konzentriere ich mich auf „Film & Festivals“.

Und genau dahin würde ich auch das Angebot des Staatstheaters Augsburg packen. Die haben einen großartigen Coup gelandet, mit einem fantastischen Angebot: man kann eine VR-Brille buchen, die kommt – selbstverständlich kontaktlos – nach Hause und schon kommt man in das 360°-Vergnügen von Oleanna – ein Machtspiel – und weiteren Inszenierungen. Schade, dass ich nicht in Augsburg wohne.

Also so richtig prickelnd war das diese Woche nicht. Ich hoffe noch sehr, dass der Anruf vom Resi am kommenden Montag alles überflügelt. Und dann – fast hätte ich es vergessen – mache ich am Samstag Abend auch noch einen Rundgang hinter die Kulissen des Münchner Marionetten-Theaters. (ach da könnte man doch eigentlich auch gleich mal einen Gutschein kaufen und verschenken).

Wer mehr Theater sehen will – online: dem hilft das Münchner Feuilleton mit Veranstaltungstipps und aktuellen News zur Theaterszene. Ich aber freue mich schon auf die nächste Woche, denn die steht ganz unter dem Motto „Film & Festivals“.


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