pssst... der sammery newsletter | no 39

 

Arbeitet noch wer oder tun wir nur so? Mit dieser Frage titelt Jakob Schrenk im SZ Magazin seinen Artikel und provoziert mit der Idee, dass wir – die sogenannten Knowledge-Arbeiter und Kreativ-Arbeiterinnen - ziemlich viel präsentieren und inszenieren, aber wenig bewirken. Letztendlich sei alles nur „Produktivitätsposerei“, all die Powerpoints und der ganze „Content“. Das sei nur Theater und der verzweifelte Versuch, mit möglichst viel „Visibility“ zu demonstrieren, dass man irgendwie einen guten Job mache und einen wertvollen Beitrag leiste. Starker Toback, oder steckt doch ein Quäntchen Wahrheit darin? Wie real ist die Arbeit von Unternehmenskommunikatoren und Storytellern derzeit noch? Rinnt uns nicht das tatsächliche Leben buchstäblich durch die Finger – digitalisiert, banalisiert und von KIs halluziniert?


Dass Maschinen uns effizienter machen, wissen wir seit zweihundert Jahren. Dass wir auch die Kreativarbeit komplett an Kollege Computer übergeben, hätten wir niemals gedacht. Der Kampf mit der KI tobt unerbittlich. Noch arbeiten wir, aber wie lange noch und wie? Dieser Newsletter will Denkanstöße liefern zu den derzeit heiß umkämpften 3 Ks – KI, Kommunikation & Kreativität. Viel Spaß beim Lesen, Ihre Petra Sammer

“It´s the end of work as we knew it” – Ansichten einer GenXlerin

Vom Ende der Arbeit, wie wir sie kennen, handelt die lesenswerte Reportage von Steven Kurutz. In der New York Times beleuchtet Kurutz schonungslos den Karriereschock der Generation X, die jetzt – im gereiften Alter zwischen 50 und 60 – eigentlich am Höhepunkt ihrer Karriere stehen sollte. Doch statt die Lorbeeren eines langen Berufslebens einzusammeln, muss diese Generation erleben, dass all die Erfahrungen und Fähigkeiten, die sie sich während eines entbehrungsreichen Arbeitslebens angeeignet hatte, nichts wert sind. Schlimmer noch, dass Maschinen diese Fähigkeiten binnen Sekunden erlernen und übernehmen.

Dass eine Generation mit dem Älterwerden hadert, ist nicht neu. Insbesondere in der Kreativindustrie. Auch ein Don Draper ging in Rente (vielmehr in ein Retreat), da die Welt um ihn herum sich schneller änderte als er selbst. Aber die Generation der 1965 bis 1980 Geborenen, die das X im Namen dank eines Romans von Douglas Coupland trägt, trifft es besonders hart.

Dümmer hätte es nicht laufen können

Die Gen Z zeichnet sich aus durch ein extrem hohes Arbeitsethos – ach nein, man muss ehrlich sagen: Arbeitspensum. Und ihren unerschütterlichen Glauben an den gesunden Menschenverstand. Hierarchien und Machtspielchen sind dieser, zu Ironie, Zynismus und Sarkasmus neigenden, Generation eigentlich fremd. Ganz anders als die Generation vor ihnen. Boomer findet man heute zum Teil auf den Kreuzfahrtschiffen dieser Welt – sie lassen es sich gut gehen. Oder aber sie sitzen immer noch und fester denn je in machtvollen Positionen in den Boardrooms der Nation – und lassen nicht locker (ein Phänomen, vor dem Frank Schirrmacher schon 2005 mit seinem großartigen Buch Das Methusalem -Komplott warnte).

Da die Generation X zu den geburtenstarken Jahrgängen zählt, ist sie gewohnt, sich gegen harten Wettbewerb durchzusetzen - genau deswegen gibt sie im Job alles - mit dem Ziel, letztendlich für diese vielen Mühen belohnt zu werden. Doch die Rechnung geht nicht auf.

Irgendwie hat man sich in eine aussichtslose Sandwich-Position manövriert: Die Boomer weichen nur zäh von ihren Posten und die Jüngeren - Generation Y – gibt unmissverständlich zu verstehen, dass sie jetzt übernehmen werden, angesichts der neuen Welt mit Digitalisierung, Dekarbonisierung, Polykrise und so weiter.

Gen Y, die erste Generation, die sich „Digital Natives“ nannte, muss zwar zugeben, dass sie sich selbst von dem technologischen Wandel dank ChatGPT & Co überfordert fühlt und neben der Medienkompetenz von Gen Z und Gen Alpha irgendwie alt aussieht. Aber der Vorgänger-Generation, also Gen X, trauen sie die Führung durch diesen Wandel auf gar keinen Fall mehr zu. Vor allem, wo sich diese Generation immer noch gerne auf ihr „Bauchgefühl“, auf „Intention“ oder gar auf ihre „Erfahrung“ verlässt. Auf Lösungsstrategien, die nostalgisch klingen, die aber nach der „Zeitenwende“ definitiv nicht mehr funktionieren.

Die Welt hat sich auf komplett gedreht, seit den seligen 90ern, der Blütezeit der Gen X und der chaotisch kreativen Hochphase von Werbung und Kommunikation. Damals waren wir Helden. Doch seien wir ehrlich: Stück für Stück übernehmen seither Maschinen unsere Arbeit – nicht erst seit November 2020. Es fing mit der automatisierten Erfolgs- und Wirkungsmessung an, dann kam die computergestützte Zielgruppenaussteuerung, das individuelle User-Tracking und die personalisierte Content-Ausspielung. Und jetzt eben auch die Content-Erstellung, Konzeptionierung und strategische Planung. Computer sind uns überlegen – denn sie vertrauen nicht auf „Bauchgefühl“, sondern nutzen analytisch und messbar KPIs, Algorithmen und Tonnen an Daten.

Was bleibt der Gen X?

Was bleibt uns, der Gen X? Frustriert in die Frührente? Ist das der Gen X Career Meltdown, wie Steven Kurutz das in der New York Times nennt? Ich denke nicht. Ja, die harten „Skills“, die wir uns über Jahrzehnte angeeignet haben, mögen obsolet sein. Zugegeben, das ist bitter. Die Spielregeln von Kommunikation und Ideenfindung haben sich geändert. Aber ein Ass haben wir noch in der Tasche.

Denn irgendjemand muss die vielen Ideen der Maschine letztendlich auswerten, bewerten, einordnen – und am Ende die Verantwortung übernehmen und eine Entscheidung treffen. Und eines kann man der Generation X wirklich nicht nachsagen, dass sie sich vor Entscheidungen drücken würde. Das ist es, was wir – auch ohne Hierarchie und ohne Machthunger – immer und immer wieder inmitten all der vielen Arbeit bewiesen haben: Wir sind mutige Entscheider – und verlassen uns dabei zuverlässig auf unsere Erfahrung.

 


Was wäre, wenn …? Eine kreative Welt dank KI

  • Ach wie süß: Mit ChatGPT kann man sein Profilbild im Stil eines Simpsons-Cartoons darstellen oder als japanisches Anime, wie bei Ghibli. Oder als Actionfigur – mit passenden Accessoires. Ist das kreativ oder peinlich? Wahrscheinlich letzteres, denn die niedliche, kindliche Optik dient nicht unbedingt dem Reputationsaufbau. Aber machen Sie ruhig mit – diese Memes helfen Ihnen, die Möglichkeiten von KI zu erfahren und auszuprobieren – und sie bringen uns zum Staunen. Bis das nächste Meme ums Eck kommt (lesenswert: das wunderbare Büchlein Meme von Dirk von Gehlen)

  • Was wäre, wenn das alles möglich wäre: Einiges ist heute schon Realität, von dem wir früher nicht einmal zu träumen gewagt haben. Daher lohnt sich der Blick in die Liste der 50 Technologie-Trends für 2025.

  • Was wäre, wenn wir Geschichten per Knopfdruck nach unserem Geschmack gestalten könnten? Wenn KI es ermöglicht, Figuren auszutauschen, Erzählstile zu verändern – und damit jedes kulturelle Werk zu einem maßgeschneiderten Einzelstück zu machen. Klingt verlockend, oder? Storyteller Harris Sockel widerspricht: Gute Geschichten entfalten ihre Kraft dadurch, dass sie nicht perfekt passen. Sie fordern uns heraus. Und sie verbinden uns. Starke Geschichten schaffen geteilte Erlebnisse – und damit den Raum für Dialog, Empathie und Verständnis: „In other words, powerful stories aren’t experienced alone. A world of hyperpersonalized stories is a world where we don’t have a shared reality, and where we can’t build common ground across our differences. Stories (and all forms of culture, from art to music) are not powerful simply because they make you feel something when you’re sitting alone experiencing them; their power also comes from the conversations they start."

  • Was wäre, wenn man wüsste, wer die kreativste Agentur Deutschlands, Österreichs und der Schweiz wäre? Kreativität ist Ansichtssache, aber man kann sie messen. Zumindest in Teilen. Davon sind zumindest alle Award-Shows, von den Cannes-Lions bis zu den PR-Report Awards, überzeugt. Das PR-Journal hat zur besseren Übersicht daher das PR-Kreativranking wiederbelebt und die Liste der kreativsten PR-Agenturen 2025 veröffentlicht. Ich freue mich, dass ich als Steering Committee Member mithelfen durfte, die Kriterien dieses Rankings mitzugestalten (und auch meine Meinung dazu abzugeben).


Was wäre, wenn wir mehr Gehirnkapazität hätten?

Das haben wir schon. Seit dem 19. Jahrhundert, seit der Industrialisierung, steht uns allen mehr Denkzeit zur Verfügung. Haushaltsgeräte verringern unsere Arbeitszeit, Autos, Züge und Flugzeuge verkürzen unsere Reisezeit, Arbeitszeiten werden von Jahrhundert zu Jahrhundert kürzer und sogar unseren Urlaub bekommen wir bezahlt.

Der Soziologe Gérald Bronner errechnete, dass die durchschnittliche freie Hirnzeit bei täglich 5 Stunden liegt. Umgerechnet auf eine Lebenserwartung von 82,5 Jahre sind das rund 17 Jahre, was einem Drittel der wachen Lebenszeit entspricht.

Entscheidend ist aber nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Qualität der freien Kapazitäten. Also die Frage: Was machen wir mit der freien Zeit? Und dazu äußert sich Bronner extrem besorgt: „Die Menschheit ist gerade kurz davor, eine ihrer größten Errungenschaften zu verpulvern.“ Denn den „cognitive surplus“, so bezeichnet der Medienforscher Clay Shirky, die Hirn- und Denkkapazitäten, die nicht für Arbeitspflichten, Routinetätigkeiten, Pflege und Schlaf aufgewendet werden, die Zeit also, die uns zur freien Verfügung steht, verschwenden wir mit Facebook, Insta oder TikTok. Die digitalen Werkzeuge, Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen, die uns einst das Leben leichter machen sollten, haben sich zu Unterhaltungsmedien gewandelt, die vor allem eines tun: unsere Zeit rauben.

Soziologen weisen verstärkt auf dieses Phänomen hin, das sie „Produktivitäts-Paradox“ nennen. Die Verbreitung neuer, digitaler Technologien führt nicht, wie man es erwarten würde, in der Breite zu einer Produktivitätssteigerung, sondern leider zum Gegenteil. Weiterlesen zum Thema in Adrian Kreye´s Artikel „Schlag den Raab“

Tipp für alle, die sich nicht mehr konzentrieren können: Die New York Times bittet Sie, sich zehn Minuten auf ein Bild zu konzentrieren. Und damit Ihre Sinne zu schärfen. Eine Erfahrung, die Sie nicht vergessen werden. Ein Tipp von Dirk von Gehlen

 

Fight or flight – Was ist Ihre Strategie?


Die Welle an KI-Infos ist nicht nur überwältigend, sie teilt auch - wie so oft - die öffentliche Meinung in die bewährten Lager: Da sind einerseits die Kommunikationsprofis, allen voran Berater, Freelancerinnen und Agenturleute, die sich in alles Innovative stürzen und die vor allem LinkedIn mit ihren Anwenderreports, Erfolgsmeldungen und kreativen Coups fluten. Immer und überall ist zu lesen, wie dank KI kreative Schnippchen schlagen. Es ist die klassische Kämpfermentalität – „Fight“. Diese Kollegen und Kolleginnen lassen sich nicht unterkriegen, sondern schlagen Tag für Tag Schneisen durch den immer wilder wuchernden KI-Dschungel – auf der Suche nach der optimalen Route.

Auf der anderen Seite gibt es die Fraktion „Flight“: All diejenigen, die durch KI ihre Arbeit mehr als bedroht sehen, die menschliche Kreativität retten wollen und die – ganz und überhaupt - die gesamte Menschheit ins Verderben rennen sehen. Es sind diejenigen, die entweder in Starre verfallen oder angesichts des Overflows an Informationen, Tipps und Best-Practice-Beispielen einfach nur fliehen (wollen).

Dazwischen denn noch all die fleißigen Pressesprecherinnen und Unternehmenskommunikatoren, die in ihren unterbesetzten Teams eigentlich gar keine Zeit haben, um sich mit dieser neuen, schönen (KI-)Welt zu beschäftigen. Für sie alle sind Copilot, ChatGPT, Claude, Midjourney, Sythesia, Sora, Suno, Gamma und wie sie alle heißen, schön und gut, aber wann bitte schön soll man sich denn das alles in Ruhe ansehen oder gar lernen?

Ich weiß nicht, wie Sie es machen. Ich habe auch keine Lösung oder Antwort für Sie parat. Nur zwei Tipps hätte ich schon: Lesen Sie sich zumindest das weitsichtige Whitepaper „NEUE SPIELREGELN - Wie KI das Agenturgeschäft definiert“ der GWA durch und hören Sie regelmäßig den besten Podcast zum Thema KI: Der KI-Podcast - mit Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub. Die drei Journalisten stellen sich jeden Dienstag den großen und kleinen Fragen des Wandels und der Auswirkungen durch KI. Bleiben Sie geduldig und lernen Sie von Woche zu Woche (und beim KI-Podcast profitieren Sie sogar von Ihren Gebühren, schließlich ist der KI-Podcast eine ARD-Produktion von BR24 und SWR).



Ein ganzes Kapitel, 36 Seiten, widme ich in meinem neuen Buch „Storytelling“ dem Thema Kreativität. 10 Jahre nach Ersterscheinen ist das Grundlagenwerk komplett überarbeitet und aktualisiert. Die 375 Seiten schwere dritte Auflage bietet alles, was man zum Storytelling für Unternehmen und Marken wissen muss, mit aktuellen Beispielen und bewährten Tipps. Jetzt im Buchhandel: „Storytelling. Grundlagen, Best Practices und kreative Impulse“ von Petra Sammer, dpunkt/O´Reilly Verlag 2025

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Inspiration, Kreativtechniken und Tools finden Sie auch in der „Creative Zone“ auf meiner Webseite. Unter www.petrasammer.com/creativity gibt es eine „Idea-Starters“, um in den Ideenprozess einzusteigen, eine Liste an kreativen Locations für Ihren nächsten Workshop und jede Menge Empfehlungen, um kreativ zu werden. Schauen Sie einfach rein.


  • Kostenlos sehen wir uns am Montag, 26. Mai - 12:00 bis 12:30 Uhr zu einer Lunch-Session auf LinkedIn. Alexander Karst, Geschäftsführer der Bildbeschaffer, hat mich zu seinem LinkedIn Live Talk eingeladen. Thema: Visuelles Storytelling und moderne Bildwelten für Marken und Unternehmen. Schauen und hören Sie doch rein: Bildbeschaffer Live Talk

  • Sehen wir uns in Berlin? Bei der Voices 2025 – der Konferenz für Unternehmenskommunikation am 4. und 5. Juni? Am Do stehe ich auf der blauen Stage und als ich das Ausmaß der Bühne gesehen habe, sackte mir das Herz ein bisschen nach unten. Schließlich spreche ich über „Emotionen in der Unternehmenskommunikation“ und ich bin gespannt, ob ich die Emotionen eines so großen Publikums rühren kann. Sind Sie dabei? Infos und Tickets: Voices 2025

  • Sie wollen Ihre kreativen Muskeln trainieren? Bei LinkedIn Learning können Sie mit meinem Kurs „Kreative Methoden für Marketing und PR ganz nach Ihrem Tempo lernen und sich inspirieren lassen. Zum Kurs geht es hier entlang: Kreativkurs Petra Sammer auf LinkedIn

  • Ein Filmtipp zur Entspannung zum Schluss: 2Tausche Konzert gegen Kost & Logis2: Vier Musikerinnen auf Wandertour – eine herrlich ehrlich erzählte Dokumentation über ungewöhnliche Konzerte irgendwo in Deutschland. Storytelling ganz entspannt (ARD Mediathek)

 

Text: Petra Sammer - no AI | Photos: Unsplash

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