Mit Bildern sprechen. Mit Worten malen. Otl Aicher und die Olympischen Spiele 1972 – ein Lehrstück für visuelles Storytelling

 


Diese Spiele müssen eine andere Geschichte erzählen: Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, und Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel waren sich einig, dass die Olympischen Sommerspiele 1972 in München eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen hatten. Sie sollten das Bild von Deutschland in der Welt neu definieren und sich damit klar von den vorherigen Spielen auf deutschem Boden 1936 in Berlin absetzen.

Aus diesem Grund beauftragte das Olympische Komitee bereits sechs Jahre vor dem ersten Fackellauf die »Hochschule für Gestaltung « in Ulm und insbesondere den Leiter der Hochschule, Otl (Otto) Aicher, mit der Entwicklung des visuellen Erscheinungsbildes der Münchner Olympischen Spiele.

Der Grafikdesigner war in den 60ern durch seine Philosophie zur visuellen Kommunikation und seine Arbeiten am Erscheinungsbild der Firmen Braun und Lufthansa aufgefallen. Und so erhielt Otl Aicher am 17. Juli 1966 den Auftrag seines Lebens.

Ungebrochener Geist

Aicher stammte aus Ulm. Er war dort am 13. Mai 1922 geboren worden und in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, in dem man aus der Kritik am Nationalsozialismus kein Geheimnis machte. Auch auf der Schule waren Aichers Freunde bekennende NS-Kritiker, wie etwa Werner Scholl, über den er auch dessen Geschwister Hans und Sophie kennenlernte. Aicher weigerte sich, der Hitler-Jugend beizutreten, und wurde dafür 1937 verhaftet. 1941 verwehrte man ihm auch die Abiturprüfung und zog ihn noch im selben Jahr zur Wehrmacht ein. An der Front lehnte er alle Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Militärs konsequent ab und fügte sich 1943 sogar selbst eine Verletzung zu, um dem weiteren Kriegsdienst zu entgehen. Zurück in Ulm stand Aicher der Familie Scholl bei, als Hans und Sophie wegen der Mitgliedschaft in der Weißen Rose am 22. Februar verurteilt und hingerichtet worden waren. Kurz vor Kriegsende desertierte Aicher und versteckte sich in den letzten Wochen des Krieges auf einem Hof der Scholls.

1946 war Otl Aicher einer der ersten Studenten an der Akademie der Bildenden Künste in München und begann ein Studium der Bildhauerei. Doch er brach das Studium kurze Zeit später ab mit der Begründung, dass man in solchen Zeiten kein »schöngeistiges Studium « betreiben solle. Stattdessen gründete er in Ulm die Ulmer Volkshochschule zusammen mit Inge Scholl, einer Schwester von Hans und Sophie, die er 1952 heiratete. Ein Jahr später legten sie den Grundstein für die »Hochschule für Gestaltung«, die Otl Aicher zehn Jahre darauf zu ihrem Rektor ernannte. Unter seiner Leitung erlangte die Hochschule internationales Ansehen.

Der Auftrag, das visuelle Gesicht der XX. Olympischen Sommerspiele in München zu definieren, wurde zu einem entscheidenden Mosaikstein in der Biografie dieses außergewöhnlichen Deutschen. Aicher erkannte sofort die Chance, die in diesem Mandat steckte. Anstatt nur das Erscheinungsbild zu entwerfen, nahm er sich vor, eine eigene visuelle Sprache für die Spiele 1972 zu gestalten und damit maßgeblich Einfluss auf die Geschichte der Spiele zu nehmen. Er nutzte seinen Auftrag weit über die Sportveranstaltung hinaus, um das Image von München, der ehemals »braunen« Stadt - Wiege des Nationalsozialismus, neu zu definieren und stellvertretend auch das Image Deutschlands neu zu justieren.

Anstatt Pathos, Heroik und Ideologie zu zeigen, visualisiert durch erstarrte und überhöhte Symbole, sollten diese Spiele heiter, leicht, dynamisch, unpolitisch, unpathetisch und frei von jeglicher Ideologie sein. Aicher wollte ein sympathisches, sinnliches und menschliches München zeigen – so wie sich Stadt und Land seither entwickelt hatten.

Und der Auftrag gelang: Die visuelle Geschichte der XX. Olympischen Spiele in München sollte so überzeugend, einprägsam und wirkungsvoll sein, dass sie den Geist und die Bilder von 1936 verdrängen würden.

Die Farben der Spiele

Das erste Mittel der visuellen Sprache, zu der Aicher griff, war Farbe. Überraschenderweise bediente sich Aicher nicht an in den Siebzigern so populären, poppigen Knallfarben, sondern begnügte sich mit lichtem Hellblau, Hellgrün, Orange, Gelb und Silber. Später kamen noch Dunkelgrün und Dunkelblau als Kontrastfarben hinzu.

Das Farbspektrum hatte große Auswirkung auf die Architektur der Spiele, die von der Architektengruppe Behnisch & Partner verantwortet wurde. Günter Behnisch, Architekt des Münchner Olympiastadiums, erinnert sich an eine Diskussion mit Otl Aicher zur Auswahl der Farben:

»Einmal erläuterte er uns, dass wir Farben wie Schwarz, Rot, Gold oder Ähnliches nicht verwenden sollten. Diese seien (durch das Dritte Reich und auch andere diktatorische und totalitäre Systeme) vergeben und verbraucht. Und – würden wir diese dennoch benutzen – müssten wir all die Beziehungen in Kauf nehmen zwischen der eigenen Arbeit und den Zwecken, denen diese Farben (heraldische Farben) in der Geschichte dienen mussten. Otl Aicher meinte, wir sollten uns den Farbkreis vornehmen und alle Farben abdecken, die in der Geschichte durch Macht und Anmaßung gebraucht und wohl auch verbraucht worden waren. Und das durchaus vom Stande und vom Verständnis unserer Zeit her. Die Farben, die dann noch übrigblieben, die könnten wir ohne Bedenken verwenden, meinte Otl Aicher.«

Authentizität statt Pathos

Neben den Farben legt Aicher auch die Bildsprache für die Münchner Spiele neu fest. Als Gegenentwurf zu der pathetischen Bildinszenierung der Berliner Spiele und auch den Propagandafilmen Leni Riefenstahls, die heroische Siegerposen ins Zentrum rückte, greift Aicher auf authentische Reportage-Fotografie zurück. Die realen Bilder zeigen die jeweilige Sportart nicht pointiert überhöht, sondern rücken nahe an das Geschehen heran und halten den einzigartigen Bewegungsablauf des jeweiligen Sports fest.

Aichers Bildsprache ist auch heute noch aktuell und modern. Die von ihm gewählten Bildmotive sind authentisch und von hoher Relevanz. Sie sind sinnlich ansprechend und verweisen oft auf Archetypen des Storytellings. Sie erfüllen alle Kriterien, die Getty Images heute als Kriterien »starker Bilder« definiert. Und obwohl die Stock-Fotografie, wie wir sie heute kennen, Anfang der 70er noch kaum existierte, machte Aicher schon damals einen Unterschied zwischen »Bildern« und »Abbildern«. Bilder müssen nach seiner Definition etwas »bedeuten« und erzählen:

»Wir suchen Bedeutung, nicht Abbilder. Jedes Foto ist belanglos, wird zum Albumbild, wenn es nichts zeigt. Im Zeigen liegt der Unterschied von Photographie und Photographie. Und zeigen ist Verweis auf Bedeutung.«

Visuelles Storytelling als Ordnungsaufgabe

Aicher war ein strenger Systematiker. Die Entwicklung einer visuellen Sprache war für ihn eine Ordnungsaufgabe, mit der er ein Unternehmen und seine Produkte, aber auch seine Werte und Visionen für Stakeholder-Gruppen, ob nun Kunden, Partner, Meinungsbildner oder Mitarbeiter, sortierte sowie leichter verständlich und zugänglich machte. So wies er zum Beispiel für die Olympischen Sommerspiele in München - zur besseren Orientierung - jedem Verantwortungsbereich eine eigene Farbe zu: Blau als Hauptfarbe für den Sport, Orange für den technischen Bereich, Grün für die Presse und Silber für repräsentative Anlässe.

Aichers Ordnungssinn drückt sich jedoch am stärksten in den von ihm entwickelten Piktogrammen aus. 1964 hatte er bei den XVIII. Olympischen Spielen in Tokio kleine Hinweisschilder gesehen, die bestimmte Sportarten symbolisierten. Diese Idee griff er auf und optimierte die Symbole, deklinierte sie durch alle Sportarten hindurch und weitete das System auch auf Bereiche wie Tourismus, Gastronomie und Verkehr aus. Viele seiner Piktogramme sind bis heute in Gebrauch. Aicher wendete die Idee der symbolhaften Hinweisschilder aber auch auf andere Bereiche an. So entstanden Piktogramme, die noch heute weltweit genutzt werden, z. B. Hinweisschilder für Taxistandplätze oder Toiletten.

Aicher dachte an alles: Poster, Fahnen, Signes, Hinweisschilder, Broschüren, Programmhefte, Veranstaltungskalender, an Bekleidung, Eintrittskarten und Souvenirs – alle Elemente fügten sich zu einer einheitlichen visuellen Geschichte zusammen.

Und er überraschte alle. So hatte man angenommen, dass der bayerische Löwe eine entscheidende Rolle beim Auftreten der Olympischen Spiele in München übernehmen werde. Doch auch hier blieb Aicher seinem Motto treu, keine Machtsymbolik zuzulassen. Als OK-Präsident Willi Daume auf dem Richtfests des Olympischen Radstadions 1970 dem Präsidenten des Weltverbands der Sportjournalisten Felix Levitan einen jungen Dackel schenkte – Daume war selbst begeisterter Dackelbesitzer – war die Idee für den »Olympia- Waldi« geboren.

Elena Winschermann war die Designerin in Aichers Team, die das erste olympische Maskottchen überhaupt entwarf. Nach 1972 wurde die Idee des Maskottchens als Sympathieträger von allen weiteren Spielen und auch anderen Sportgroßereignissen übernommen. »Cherie von Birkenhof«, eine 84 Tage alte Dackeldame, stand Modell für das pädagogisch wertvolle Spielzeug in Holz und auch für die Plüschvariante, die von der Spielwarenfirma Steiff ausgeführt wurde.



Gastfreundschaft zeigen

Olympia 1972, das bedeutete für Aicher »Gastfreundschaft bildlich ausdrücken«. Dieser Leitgedanke durchzog alle seine gestalterischen Entscheidungen. Dabei nutze Aicher visuelle Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel im Sinne eines »Corporate Design«, sondern verstand »visuelle Kommunikation « ganzheitlicher – als Teil der gesamten Unternehmenskultur, im Sinne einer »Corporate Culture« des Unternehmens oder eben eines Großereignisses wie den Olympischen Spielen.

Visuelles Storytelling bestimmt in Aichers Philosophie somit nicht nur die Kommunikation eines Unternehmens oder einer Marke, sondern es nimmt auch entscheidenden Einfluss auf Verhaltens- und Arbeitsweisen (heute würde man sagen: Corporate Behaviour), auf Unternehmens- und Markenführung (Corporate Strategy), sowie auf Unternehmens-, Marken- und Produktgestaltung (Corporate Identity).

Als einer der geistigen Väter des Begriffs »Corporate Culture«, ließ sich Aicher an seinen eigenen Thesen messen und ging mit gutem Beispiel voran. So führte er auch sein eigenes Team als modernes, heute würde man sagen, »Start-up«, das nur für das Projekt »Olympia 1972« zusammengestellt wurde und nach Ende der Arbeit wieder auseinander ging. Das vorübergehende Zusammenbringen seiner besten Mitarbeiter sah er als »Expedition«, die sinnvoll, kreativ und unter besonders humanen Bedingungen mit einer Leichtigkeit auf ein definiertes Ziel hinarbeitet. Ein Team, das die gleiche Heiterkeit, Offenheit und Authentizität ausstrahlt, wie das Unternehmen, die Marke oder in diesem Fall das Großereignis, für das es tätig war.

Videotipp: Der Bayerische Rundfunk stattet dem Team um Otl Aicher am 15. Februar 1971 einen Besuch ab, ein Jahr vor Beginn der Spiele. Die Reportage gibt Einblicke in die Denk- und Arbeitsweise Aichers und seiner Mitarbeiter.

Doch plötzlich war alles vorbei.

Olympia 1972, das sollten die leichten, die unpolitischen Spiele werden. Elf Tage lang. Doch dann kam alles anders.

4:20 Uhr - am Morgen des 5. September 1972, fünf Tage vor Ende der Spiele, dringen acht palästinensische Terroristen der Gruppe »Schwarzer September« über die Außenfassade in das Quartier der israelischen Mannschaft ein und bringen elf Menschen in ihre Gewalt. 20 Stunden später, kurz nach Mitternacht, sind 17 Menschen tot – alle elf israelischen Geiseln, ein deutscher Polizist und fünf Terroristen.

Die Olympischen Spiele kommen zum Stillstand.

Am nächsten Tag, nach einer Gedenkfeier vor 80.000 Zuschauern, verkündet IOC Präsident Avery Brundage: »The games must go on«, um dem Terror keinen Boden zu überlassen. Doch für viele ist die Entscheidung unverständlich. Einige Athleten reisen ab. Die Spiele werden leise und verhalten fortgesetzt und am 10. September doch - in Otl Aichers Sinne – mit einer farbenprächtigen Schlussveranstaltung zu Ende gebracht.

Heute, über 40 Jahre nach den Spielen in München, ist das Attentat unvergessen. Vor allem ein Bild hat sich schrecklich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt: Es zeigt einen der Attentäter mit Maske auf dem Balkon des israelischen Mannschaftsquartiers, ein Schwarz- Weiß-Bild des Frankfurter Fotografen Kurt Strumpf.

(Bild: Kurt Strumpf)

Drastischer hätte der Gegenpol zu Aichers visueller Sprache der »gastfreundlichen Leichtigkeit« nicht sein können. Das Bild vom 5. September 1972 markiert das Ende der farbenfrohen, heiteren Spiele.

Und doch war Aichers Arbeit nicht umsonst: Die Welt hatte München und Deutschland in den ersten elf Tagen der Spiele von einer neuen, leichten, heiteren, also einer ganz anderen Seite kennengelernt. Ein Eindruck, der auch über den Schock des Attentats hinauswirkte und an den sich später viele Male erinnern. Die visuelle Sprache der Spiele hatte funktioniert – von der Leichtigkeit der Architektur (wie des einmaligen Zeltdachs des Olympiastadiums) bis zur Farb- und Bildsprache Otl Aichers. Die visuelle Sprache der »Olympischen Sommerspiele München« wirkt nach, denn das Image Münchens profitiert auch heute noch von dem Bild der Sympathie und Gastfreundschaft, das in diesen Spielen bis zu jenem 5. September aufgebaut wurde.

Aichers großes Vermächtnis durch seine Arbeit am Erscheinungsbild der Olympischen Spiele sowie an vielen anderen Unternehmen und Marken ist die Entwicklung einer Corporate Culture, die sich am Visuellen orientiert.

»Sein Begriff der ›visuellen Kommunikation‹ begründet eine neue Qualität der sichtbaren Kultur als Ganzheit. Otl Aicher wird zum Pionier einer visuellen Sprache, deren Ziel die Lesbarkeit der Welt ist. Das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele in München 1972 erreicht beinahe die vollkommene Einheit von Absicht und Wirkung, Architektur und Grafik, Offenheit und Reglement.« (Zitiert nach http://www.otlaicher.de/)


Dieses Vermächtnis hat an Aktualität nichts eingebüßt, ganz im Gegenteil: Besonders heute im bildbesessenen Internetzeitalter lohnt es sich, diese Philosophie der visuellen Corporate Culture zu beherzigen. Otl Aicher standen nicht die digitalen Möglichkeiten von heute zur Verfügung. Einiges würde der Grafikdesigner heute vielleicht anders formulieren und umsetzen. Doch viele seiner Grundsätze sind aktueller denn je:

Wir machen uns ein Bild von einem Unternehmen und einer Marke – visuell. Zeichen, Farben, Typographie, Piktogramme und Bilder eines Unternehmens haben größten Einfluss auf seine Wahrnehmung von außen. Aber auch umgekehrt: Das visuelle Storytelling eines Unternehmens und einer Marke hat die Kraft und das Vermögen, ihre Kultur nach innen zu prägen und positiv zu beeinflussen. Die visuelle Sprache eines Unternehmens wirkt nach innen auf dessen Arbeitswelt und Arbeitsweise, auf dessen Unternehmensführung, Strategie, Unternehmensgestaltung und selbstverständlich auch dessen Produktdesign.

Die Beschäftigung mit Bildern ist unausweichlich – für Unternehmen und Marken – für uns alle:

»Bilder bestimmen zunehmend unsere Welt und unseren Alltag, in der Werbung, der Unterhaltung, der Politik, selbst in der Wissenschaft beginnen sie, sich vor die Sprache zu drängen. Vor allem die Massenmedien fluten unsere Sinne täglich. Scheinbar haben die Bilder den – nie ausgerufenen – ›Paragone‹ zwischen Wort und Bild für sich entschieden. Doch umstritten bleibt, ob das Wort oder das Bild am Anfang war oder wer von beiden am Ende ist. Hat gar das Bild das letzte Wort? Die gesteigerte Aufmerksamkeit für alles Bildliche rückt die Frage ins Blickfeld, was ein Bild überhaupt sei: Urbild und Abbild, Vorbild und Nachbild, Bild und Gegenbild. Uns begegnen Kopien ohne Originale, Simulationen und Simulacra, Modelle und Metaphern, Wunschbilder, Wahnbilder und Trugbilder – es gilt, das gesamte Bildregister semantisch zu prüfen und in den jeweiligen theoretischen und praktischen Verwendungszusammenhängen zu präzisieren. Um den anschwellenden ›Bildersturm‹ (Genitivus subjectivus) mit Augenmaß bewältigen zu können, bedarf es einer Bildkompetenz, die unserer Schriftkultur fehlt. Der Analphabetismus ist hierzulande weitgehend überwunden, das Problem des ›Anikonismus‹ oder der Unfähigkeit, Bilder angemessen zu interpretieren, ist indes noch nicht einmal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen.« Doris Bachmann-Medick (in »GegenWorte« - Magazin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften)

Wir sollten lernen, mit Bildern zu sprechen und mit Worten Bilder zu zeichnen – das ist die Kunst des visuellen Storytellings, dessen Meister Otl Aicher war.

1998 erinnert sich Günter Behnisch an den Graphikdesigner und visuellen Storyteller, der sieben Jahre zuvor gestorben war: »Als wir mit Otl Aicher über Farben sprachen, erklärt er uns die Sache so – mit einem Bilde: ›Wisst Ihr, wenn Ihr über die Alpen fliegen würdet im Frühjahr, von Süden her in einem kleinen Flugzeug, was würdet ihr denn als erstes sehen im Voralpenland Bayerns?‹ Die Antwort gab er selbst: ›Ihr würdet den blauen Himmel sehen, leicht und hell, die weißen, dahinschwebenden Wolken, das leichte helle Grün der jungen Wiesen, und die silbernen Seen und Flüsse.‹ Um dann abzuschließen mit: ›Und das werden die Farben der Olympischen Spiele in München sein!‹ Nun weiß ich nicht, ob die Bayerischen Seen tatsächlich silbrig sind. Otl Aicher aber wollte, dass sie so wären. Wahrscheinlich sah er sie auch so, silbrig, glänzend, hell. Und dieses Bild ließ er auch uns sehen. Und tatsächlich, wir sahen es, und wir behielten es so in Erinnerung – bis heute. Otl Aicher konnte in Bildern denken und er konnte mit Bildern Inhalte weitergeben. Bilder, die ja viele Bezüge mitbringen, mehr als das sachlich begrenzte Wort. Bilder sind poetisch von sich aus.«

 

(Bild aus "Visual Storytelling", O´Reilly)


Der Niggli Verlag hat 2019 die "Richtlinien und Normen für die visuelle Gestaltung" der Münchener Olympischen Sommerspiele 1972 neu aufgelegt. Die Neuauflage stieß bei Grafikern und visullen Storytellern auf hohes Interesse - bis heute kann man von Otl Aicher lernen. Ein Blick in seine "Bibel" lohnt sich.

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