Von Socken, Stützrädern und Bildern im Kopf

 


»Leadership is about change. It’s about taking people from where they are now to where they need to be. The best way to get people to venture into unknown terrain is to make it desirable by taking them there in their imaginations. In other words, by telling them stories. « – Noel M. Tichy

Wer Veränderungen erreichen will, der muss seine Zuhörer nicht nur mit Geschichten auf eine Reise mitnehmen, dem muss es auch gelingen, das Ziel so weit wie möglich zu beschreiben. Und noch besser: zu zeigen. Daher sind die Bilder, die Stories provozieren, so wirkmächtig und interessant für Redner und Präsentatoren.

»Something (...) which is paramount to consider when constructing the perfect explanation, is the need to paint a vivid picture for your audience and really captivate their imagination. One way to do this is by using images.« (Simpleshow)

Die Grafiker von Simpleshow, einer Agentur, die auf Erklärvideos spezialisiert ist, denkt bei der »Kraft der Bilder« aber nicht nur an tatsächliche Fotos oder Grafiken, sondern auch an imaginäre Bilder – Bilder im Kopf, die durch Metaphern und Analogien hervorgerufen werden.

Warum Physiker Socken lieben

»When referring to images in any form of explanation, be it as a video, a presentation or even an email, what we are really referring to is the use of metaphors. A metaphoric image allows you to contextualise your point and really make it stick – building complexity not confusion! «, so Simpleshow weiter.

Metaphern und Analogien machen einen Sachverhalt leichter verständlich, indem sie uns ein vertrautes Bild in den Kopf projizieren, zum Beispiel Socken. James Kakalios, Professor der Physik an der Universität Minnesota, erklärt Laien das physikalische Prinzip der »Entropie« mit dem Verhalten von Socken in einem Wäschetrockner: Der ordentliche Zustand von Socken ist, dass sie als Paar vorkommen. Wenn man aber Wäsche mit zahlreichen Sockenpaaren in den Trockner legt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Socken als richtiges Paar nebeneinander herauskommen, verschwindend gering. Der Trockner wirbelt die Socken immer wieder durcheinander, und es gibt eine Unzahl an Möglichkeiten, in welcher Paarung Socken aus dem Trockner herauskommen.

Ganz so ist auch das Prinzip der Entropie zu verstehen. Sie beschreibt ein System, dem von außen eine Ordnung aufgezwungen wird, die sich immer wieder verändert. Wer sich als Wissenschaftler mit Problemen auseinandersetzt, die der Entropie unterworfen sind, hat es mit zufallsbedingten Situationen zu tun und muss damit rechnen, dass Socken nie in der gleichen Kombination aus dem Trockner kommen. (Wenn Sie mehr von Professor James Kakalios über Physik lernen wollen, sehen Sie sich seine Präsentation »Physics of Superheros« auf Vimeo an).

Meist sind es die einfachsten Bilder, die die stärksten Assoziationen hervorrufen und die sich am besten festsetzen. Wie zum Beispiel der Vergleich „Stützrad versus Fahrrad“: Kreative neigen dazu, ihre Ideen immer weiter auszubauen. Sie sind so verliebt in ihre Idee, dass sie Detail um Detail hinzuaddieren. Dabei sind es eigentlich die kleinen, feinen, die schlanken und smarten Ideen, die am meisten überzeugen. Doch wie kann man die Denkarbeit des Reduzierens verdeutlichen, bei der nicht gleich die ganze Idee über den Haufen geworfen wird?

Auch für diesen abstrakten Gedanken ist ein Bild oder eine Analogie hilfreich: Manche Ideen brauchen ein wenig Hilfe, um auf die Straße zu kommen. Wie beim Stützrad braucht es manchmal ein bisschen mehr, ein weiteres, drittes Rad, damit es am Anfang leichter fällt zu fahren. Doch mit etwas Übung kann man das dritte Rad abmontieren und auf das Wesentliche – das Zweirad – reduzieren. So kann man auch eine Idee Stück für Stück auf ihre Grundidee reduzieren, damit der Kern der Idee zum Vorschein kommt. Als Kreativer sollte man sich fragen: Will ich erst einmal mit Stützrad präsentieren, oder nehme ich gleich das Fahrrad? (Videotipp: Dass man ein Fahrrad auch als kreative Metapher für eine Krankheit, für Multiple Sklerose, verwenden kann, zeigt eine hervorragende Aufklärungskampagne der australischen Patientenorganisation MSWA, zu sehen auf YouTube unter dem Stichwort »This Bike has MS«.

Narrative Bilder: Die Kraft visuellen Storytellings

Doch warum auf Worte vertrauen … machen Sie es Ihrem Publikum einfach und führen Sie ihm direkt vor Augen, was Sie meinen. Unser Gehirn verarbeitet visuelle Informationen 60.000-mal schneller als Text. In Bildern erfassen wir komplexe Vorgänge in Sekundenbruchteilen, denn unser limbisches System, der intuitive Teil unseres Gehirns – wo Emotionen, Triebe und Instinkte verarbeitet werden –, greift bei Bildinformationen blitzschnell zu und wertet diese in Millisekunden aus. Allein aufgrund dieses Zeitvorteils sollten Sie auf visuelles Storytelling mit Fotos, Infografiken und Videos setzen. Entscheidend ist allerdings, dass mit dem Stichwort »visuelles Storytelling « nicht herkömmliche Bilder gemeint sind. Erfolgreiche Bildkommunikation erfordert weit mehr als die durchschnittlichen Symbolbilder, die so oft in PowerPoint-Präsentationen zur Anwendung kommen.

Sie kennen diese Art Bilder: sogenanntes »Stockmaterial«, Bilder, auf denen adrett gekleidete Manager mit strahlendem Lächeln die Hand schütteln als Beweis ihrer Partnerschaft. Es sind blank geputzte Dartpfeile, die in nagelneuen Zielscheiben stecken, um Themen wie »Zielerreichung« oder »Punktlandung« zu symbolisieren. Goldfische, die von einem Wasserglas in ein anders springen, um einen »Systemwechsel« zu visualisieren.

Symbolbilder dienen der Dekoration von Texten. Mehr leisten sie nicht. Diese Bilder erfassen wir zwar mit dem Auge, aber der Informationsgehalt ist so gering, dass wir sie kaum wirklich wahrnehmen. Visuelles Storytelling sieht anders aus. Hier kommen Bilder zum Einsatz, die Aufmerksamkeit wecken, provozieren, interessieren und motivieren. Es sind Bilder, die auffallen, weil sie eine Geschichte erzählen. Die Rede ist von narrativen Bildern. Bilder, die unsere Sinne reizen und unsere Fantasie anregen. Bilder, die uns an Geschichten erinnern, die wir bereits kennen oder die uns neugierig machen auf neue Stories – die Geschichten hinter den Bildern.

Erfolgreiche Bildkonzepte sind mehr als pure Abbildung. Getty Images, die erfolgreichste Bilddatenbank weltweit, identifizierte vier Kriterien, die diese besonderen, aufmerksamkeitsstarken Bilder ausmachen:

  1. Authentizität: Bilder, die das echte Leben abbilden und die als »real« empfunden werden. Nutzen Sie daher Bilder aus dem wahren Leben. Aus Ihrem Leben oder dem Ihres Unternehmens, Ihres Teams – anstatt anonyme Fotomodelle abzubilden.

  2. Kulturelle Relevanz: Bilder, die konkrete Bezugspunkte geben wie wiedererkennbare Orte, identifizierbare Zeitspannen und Kontexte, die Relevanz für den Betrachter haben. Nehmen Sie Bezug auf Ereignisse im Tagesgeschäft oder Alltag. Wenn z.B. der Abgabetermin Ihres Projekts, über das Sie referieren, auf die Woche der Bundestagswahl fällt, fügen Sie ein Bild der Kandidaten ein, das bleibt mit Sicherheit stärker in Erinnerung als ein Zeitstrahl.

  3. Archetypen des Storytellings: Referieren Sie in Bildern auf Ereignisse und auch Geschichten, die bekannt sind. Nutzen Sie die Symbolik von Harry Potter, Superman oder Luke Skywalker. Ihr Publikum kennt die Bilder und kann sofort die Geschichte dazu assoziieren. Oder Sie verweisen auf persönliche Erinnerungen und Gefühle, die jeder von uns abgespeichert hat, z.B. auf Kindheitserinnerungen wie den ersten Schultag oder den ersten Kuss. Nur ein kleiner Reiz genügt, um dem Publikum die passenden Skripte und Geschichten in Erinnerung zu rufen.

  4. Sinnlichkeit: Setzen Sie Bilder ein, die alle Sinne ansprechen, die den Geruchssinn aktivieren, die etwas zum Klingen bringen, in die man reingreifen möchte. Gehen Sie nah ran, zeigen Sie, wie Funken sprühen, Holz kracht und Wasser spritzt. Gerade in Zeiten, in denen wir so viel virtuell und digital arbeiten, provozieren Bilder von physischen Gegenständen und Tätigkeiten starke Emotionen. Triggern Sie alle Sinne Ihres Publikums.
Noch mehr Tipps für Ihre nächste Rede und Präsentation – und noch mehr Tricks für den Umgang mit Bild – finden Sie in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019.

Oder Sie besuchen mich am 12. November online auf dem D2M Summit. Da spreche ich über „Visuelles Storytelling in Zeiten von Instagram und TikTok“. Oder Sie kommen mit am 16. November zum Webinar der news aktuell Academy. Da geht es 90 Minuten lang um das Thema „Digitales Storytelling“. Ich freue mich auf Sie.

Alle Termine unter: www.petrasammer.com/about-petra-sammer/upcoming-events/


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