Ein Bild, das Hass in Liebe wandelt



Am 10. März 2014 kündigte AdAge, Amerikas größte Werbefachzeitschrift, eine neue Werbekampagne der 90 Jahre alten Snackmarke »Honey Maid« an. Die Kräckermarke, die zum Lebensmittelkonzern Mondelez gehört, präsentierte an diesem Tag einen neuen Werbespot unter dem Motto »This is wholesome«. Honey Maid hatte sich mit dieser Kampagne Großes vorgenommen. Es galt, ein in die Jahre gekommenes und altbackenes Image abzustreifen zugunsten einer neuen, modernen Positionierung.

Daher rückte die Marke erstmals nicht die eigenen Produkte in den Vordergrund, sondern zeigte »Real-Life Stories« von Familien in unterschiedlichen Lebenswelten: einen alleinerziehenden Rocker- Daddy, der sich rührend um seinen Sohn kümmert, eine Patchwork- Familie, in der es humorvoll drunter und drüber geht, eine Soldatenfamilie, die ihren Vater nur während seines Heimaturlaubs sieht, und Jason und Tim, die von ihrem Sohn »Dad und Papa« genannt werden, denn die Familie besteht aus drei Männern: zwei Homosexuellen, die gemeinsam ihren Sohn aufziehen.

»We recognize change is happening every day, from the way in which a family looks today to how a family interacts to the way it is portrayed in media.« So beschreibt Gary Osifchin, ehemals Senior Marketing Director von Mondelez, den Anspruch von Honey Maid, ein realistischeres Bild der Familie in der Öffentlichkeit zu zeigen, sowie die Bereitschaft der Marke, dieses Bild auch zu vertreten.

Am Premierentag der »Honey-Maid-Stories« kommentierte AdAge die Kampagne mit wohlwollenden Worten und beendete seinen Artikel mit »It's still early and the campaign hasn't generated a ton of feedback yet. But most of the reviews appear to be positive so far.«

AdAge sollte sich schwer täuschen. Einen Tag später brach ein Sturm der Entrüstung los. Honey Maid wurde mit negativen Tweets überschüttet. Ultrakonservative wiesen brüsk zurück, dass Familien heute so aussähen und dass eine amerikanische Marke ein derartiges Familienbild zeichnen dürfe. Die Kritik reichte von Beschimpfungen bis hin zu Häme, Schmähungen und Drohungen im Netz. Anstatt die neue Kampagne wirken zu lassen, musste Gary Osifchin nun plötzlich auf Krisenkommunikation umstellen.

Am 3. April antwortete er – mit einem Bild

Honey Maid engagierte die Künstlerinnen Linsey Burritt und Crystal Grover, die alle negativen Tweets und Kommentare auf Papier ausdruckten, aufrollten und zu einem einzigen Wort zusammenstellten: »Love«.


(Bild: YouTube)

Die Bildantwort, die die Snackmarke auf allen Social-Media-Kanälen spielte, drehte den Hass des »Shitstorms« ins Positive. Die Rückantwort war überwältigend: In den ersten 24 Stunden, nachdem das YouTube-Video online gegangen war, wurde es 3,5 Millionen Mal angeklickt. 274.000 Menschen teilten das Video sofort. Die PR erzielte eine Berichterstattung in einer Auflagenhöhe von 115 Millionen. Doch das beste Ergebnis: Honey Maid erhielt für jeden negativen Kommentar nun zehn positive, die die Kampagne und ihr Anliegen ausdrücklich lobten.

Das Geheimnis des Bildes?

Smart reagiert. Wind aus den Segeln genommen. Künsterlisch überhöht. Auf die eigenen Fans vertraut und „Love“ von Honey Maid ist visuelles Storytelling vom Feinsten. Es ist ein Bild, dessen Erfolgsprinzipien man als »Hingucker«, »Schnellschuss« und »Augenschmaus beschreiben kann, denn es lockt den Blick auf ungewöhnliche Weise (»Hingucker«), funktioniert sofort – auf einen Blick (»Schnellschuss«) und bietet eine herausragende Ästhet k (»Augenschmaus«).


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Photo by Alexander Mils on Unsplash

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