Storytelling im Film – Basics für PRler
Storytelling ist ein Schlüsselbegriff für erfolgreiches Marketing. Was für Print- und Online-Artikel wichtig ist, stellt für ein Video einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar. Doch was heißt Storytelling in Bezug auf Videos, was bringt es und wie gelingt es?
Bevor wir in die Details gehen: Was ist Storytelling in Bezug auf Videos?
Der Begriff „Storytelling“ ist hier doppeldeutig. Viele Kommunikationsprofis nutzen „Storytelling“ eigentlich nur als Strukturbegriff. Unter „Story“ verstehen sie den Aufbau, Spannungsbogen und Verlauf eines Videos. Für die Struktur sind dabei drei Muster ein guter Startpunkt:- Die Struktur kann sich aus den drei Kernelementen guter Argumentation zusammensetzen, die man seit Aristoteles kennt: Ihm zufolge hat jede gute Geschichte Anfang, Mitte und Ende.
- Oder aber das Video folgt dem Spannungsbogen in fünf Akten, den wir vom klassischen Drama kennen: 1. Ausgangsposition, 2. aufsteigende Handlung, 3. Klimax oder Höhepunkt, 4. absteigende Handlung, 5. Auflösung.
- Oder Sie nutzen eine moderne Film-Struktur mit einem „Hot Start“ zu Beginn und vielen Höhepunkten, also eine emotionale Achterbahnfahrt. Eine Struktur, die man von vielen Online-Videos kennt.
Was im Film passiert
„Storytelling“ kann aber auch als Gattungsbegriff verwendet werden, der auf den narrativen Inhalt eines Videos abzielt und die Art und Weise der Kommunikation beschreibt. Denn im Gegensatz zu einem rationalen Erklärfilm, kann ein Video auch eine emotionale Geschichte zeigen, die einen Plot erzählt und eine Handlung beinhaltet. Und diese Geschichte bringt einige Vorteile mit sich:Besseres Verständnis
Storytelling ist das älteste Modell zur Wissensteilung, das wir kennen. Die Menschheit erzählt sich seit über 40.000 Jahren Geschichten, und dies nicht nur zum Spaß und zur Unterhaltung. In Geschichten wird immer auch Wissen weitergegeben. Dieser Aspekt ist für Sie als PR- und Marketing-Verantwortliche besonders interessant. Auch wenn Präsentationen, Datenblätter, Studien, Reports, Memos eine dominante Rolle in der Unternehmenskommunikation spielen, so sind es doch meist die emotionalen Geschichten, die vom Publikum wesentlich besser aufgegriffen werden.Bessere Erinnerung
Noch größer ist der Nutzen von Storytelling im Video, wenn man darunter emotionales, handlungsbasiertes Erzählen versteht. Neurowissenschaftlichen Studien belegen, dass Informationen besser erinnert werden, wenn sie in Form von Geschichten dargestellt werden. Geschichten aktivieren unser ganzes Gehirn, nicht nur unsere linke Gehirnhälfte, in der wir Logik und Sprache verarbeiten. Daher können wir uns Geschichten bis zu 22 mal besser merken als nackte Daten und Fakten.Erfahren mit allen Sinnen
Bewegtbilder sind besonders geeignet, um Informationen via Story und Storytelling zu vermitteln. Denn im Gegensatz zu Text stehen Ihnen hierbei viel mehr Möglichkeiten des Erzählens zur Verfügung: Wort, Bild und Ton. Multisensuelles Erzählen ist das erfolgreichste Erzählen.Die 3 wichtigsten Formen des Storytellings
Es gibt unzählige Möglichkeiten, Storytelling im Video zu kategorisieren. Diese 3 Formen sollten Sie in jedem Fall kennen:1. Fiktionale versus reale Geschichten:
Wenn Sie mit Storytelling beginnen, sollten Sie sich zunächst auf die Suche nach realen Stories rund um Ihr Unternehmen oder Ihre Marke machen. Eine reale Geschichte zu erzählen ist einfacher als die Königsklasse des fiktionalen Erzählens. Denn im fiktionalen Storytelling müssen Sie nicht nur den Protagonisten selbst erfinden, sondern gleichzeitig auch die ganze Erzählwelt drum herum.2. Plot-basiertes versus Character-basiertes Erzählen:
Überlegen Sie, was im Fokus Ihres Filmes, Ihrer Geschichte, steht. Ist es eine spannende Handlung? Dann ist Ihr Film „Plot basiert“. Oder ist es eine interessante Hauptfigur? Dann ist Ihr Film „Character-basiert“. Beide Erzählformen können mitreißend erzählt werden. Beide können für herausragende Bilder sorgen. Prüfen Sie, welche Erzählweise zu Ihrem Unternehmen passt.3. Inside-out erzählen oder outside-in erzählen:
Wo ist der Startpunkt für Ihre Videogeschichte? Erzählen Sie von innen nach außen, also stellen Sie die Unternehmenswerte, das Markenversprechen, die Mitarbeiter ins Zentrum Ihrer Stories? Lassen Sie das Publikum exklusive Einblicke gewinnen? Oder aber erzählen Sie „outside-in“, das heißt, greifen Sie Themen und Plots auf, die außerhalb des Unternehmens eine Rolle spielen? Das können Themen sein, die derzeit aktuell und relevant sind, wie zum Beispiel Gesundheitsthemen oder Klimaschutz. Knüpfen Sie mit Ihren Videostories hieran an?Auf der Suche nach Stories
Hier kommen sechs „Schatzkisten“, in die Kommunikationsprofis und PRler greifen können, wenn sie Stories suchen:1. Gründer-Stories: Der Klassiker sind selbstverständlich Geschichten rund um die Gründer:innen eines Unternehmens. Auch ältere Unternehmen können den Gründungsmythos der Anfangsjahre aufgreifen und bis zur Gegenwart fortsetzen.
2. Background-Stories: Oft finden sich großartige Geschichten, wenn Sie genauer in den Produktionsprozess des Unternehmens blicken. Hier geht es um einen unverstellten Blick auf die Art und Weise, wie Ihr Unternehmen, Ihre Marke, agiert. Begeben Sie sich bei diesem Ansatz auf die Suche nach Besonderheiten: besondere Mitarbeitende, Zutaten, Umstände … Bieten Sie einen Blick hinter die Kulissen.
3. Identity-Stories: Diese Geschichten und Videos bebildern Ihre Corporate Identity, das Leitbild, Ihre Vision und Mission. Wiederholen Sie hier nicht nur die Worte aus dem Leitbild in Form eines Erklärvideos, sondern bieten Sie vielmehr Beispielerzählungen, die beweisen, wie und wo Sie das Leitbild zum Leben erwecken.
4. Benefit-Stories: Ihre Produkte, Ihre Dienstleistungen bieten einen Mehrwert und Nutzen – und der wirkt auf Ihre Kunden. Benefit-Stories zeigen Kunden und veranschaulichen, welchen Nutzen Sie und Ihre Produkte bei diesen gestiftet haben. Dabei sind diese Videos aber nicht nur platte Kunden-Cases oder Anwenderberichte. Vielmehr erzählen sie emotional aus der Kundenperspektive.
5. Insight-Stories: Unter „insights“ versteht man Lebensweisheiten, die Bezug nehmen auf die Lebensumstände der Zielgruppe. Insights erklären, warum das Leben so ist, wie es ist. Bestes Beispiel ist die „Thank you Mom“-Kampagne von Procter & Gamble. Hierin werden die Geschichten von Müttern erfolgreicher Olympioniken und Athleten gezeigt. Das Insight dahinter: „Hinter jedem Olympiateilnehmer steckt eine starke Mutter.“ So schlicht die Aussage auch ist, mit einem solchen „insight“ haben Sie tollen Stoff – und jede Menge Geschichten zu erzählen.
6. Purpose-Stories: In diesen Geschichten nutzen Sie den Zeitgeist und greifen – narrativ – aktuelle Themen auf.
Fünf Erfolgs-Komponenten für Ihre Story
Wenn Sie eine überzeugende Geschichte erzählen wollen, sollten Sie sich diese fünf Komponenten zu Herzen nehmen:1. Jede Geschichte benötigt einen guten Grund, erzählt zu werden. Welche Motivation steht hinter Ihrer Geschichte?
2. Jede gute Geschichte hat einen Helden. Jede gute Geschichte bietet einen Hauptdarsteller, mit dem sich der Zuhörer identifizieren kann. Wer ist Ihr Held? Dieser muss nicht zwangsläufig das eigene Unternehmen sein.
3. Jede gute Geschichte beginnt mit einem Konflikt. Wirklich spannend wird es erst, wenn sich der Held einer Geschichte einem Problem stellt. Herkömmliche PR fokussiert auf die Darstellung von Lösungen – da ist im Storytelling Umdenken gefordert.
4. Gute Geschichten gehen ans Herz. Geschichtenerzählen ist Entertainment. Unternehmen müssen anerkennen, dass sie nicht nur informieren, sondern auch unterhalten. Ganz besonders in Bewegtbild und Video sind die Möglichkeiten des emotionalen Erzählens gegeben.
5. Gute Geschichten gehen „viral“, sie werden weitererzählt. „Multimediales“ und „transmediales“ Erzählen sind heute Pflichtprogramm. Ein Video allein funktioniert nicht – es muss eingebunden sein in unterschiedliche Kommunikationsmittel, -medien und -kanäle. Nur transmedial erzählt kann ein Video seine volle Storytellingkraft entfalten.
Die Dos and Don‘ts in der Zusammenarbeit mit Produktionsfirmen
- Videos sind in der Produktion viel komplexer als PR-Texte. Und doch erlebe ich es immer wieder, dass Unternehmen und Agenturen hier ähnlich arbeiten – mit fatalen Folgen. Ein klares Briefing und eine ebenso klare Rollenverteilung sind zentral für die Videoproduktion. Je genauer Sie im Briefing formulieren, was Sie erwarten und was das Video leisten soll, umso besser.
- Verzichten Sie auf Fachbegriffen wie „Reportage“ etc. Zeigen Sie Ihrem Produktionsteam stattdessen konkrete Beispiele. Sehen Sie sich Filme gemeinsam an und formulieren Sie anhand dieser Beispiele Ihre Wünsche.
- Am Produktionsprozess sind oft viele Parteien beteiligt: das Kommunikationsteam im Unternehmen, eine Agentur, ein Social-Media-Team, das Produktionsteam, ein Regisseur, ein Kamerateam und, und, und. Je mehr Personen beteiligt sind, umso unklarer wird die Rollenverteilung. Legen Sie von Anfang an fest, wer für was verantwortlich ist und wer welche Schritte freigibt.
Und noch ein Tipp: Jedem im Team sollte klar sein, welche Aufgabe das Video hat, wie und wo genau es eingesetzt wird. Ein Video sollte niemals solitär produziert werden, sondern immer als Teil einer Kommunikationsstrategie. Die Geschichte in Ihrem Video muss zu Ihrer Gesamtkommunikation passen.
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Dieser Text erschien in: „PR & Werbe Praxis“ – ein Newsletter des VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG Bonn
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