6 Wirkdimensionen des Storytellings

 

»The most powerful person in the world is the Storyteller. The Storyteller sets the vision, values and agenda of an entire generation that is to come.« – Steve Jobs

Ein Konferenzraum in den 80ern. Der Vorstand ist zusammengekommen, um die aktuellen Verkaufszahlen zu diskutieren. Die Zahlen werden mithilfe eines Overheadprojektors an die Wand geworfen, und eine lebhafte Diskussion entbrennt darüber, warum die Abschlüsse im letzten Quartal weit unter den Erwartungen geblieben sind. Der Vorstandsvorsitzende hört sich über eine Stunde lang die Diskussion an, in der die unterschiedlichsten Erklärungen über die schlechten Zahlen die Runde machen. Schließlich steht er auf, bittet um Ruhe, und sagt: »Jetzt hören Sie bitte mal mit diesen wilden Geschichten auf. Was wir erst einmal dringend brauchen, sind verlässliche Daten«, und verlässt das Meeting.

30 Jahre später, 2018. Wieder ein Konferenzraum und eine Vorstandssitzung. Mode und Mobiliar haben sich ein wenig verändert, und statt des Overheadprojektors hängt jetzt ein Beamer von der Decke. Die Themen sind aber nach wie vor die gleichen. Das Management ist nervös, weil die Zahlen nicht stimmen und will wissen, warum der Verkauf stagniert. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich die Art und Weise, wie Daten erhoben werden, massiv verändert. Unternehmen können auf Marktinformationen in Echtzeit zurückgreifen, und Big Data wird in einer Tiefe und Komplexität erfasst, von der man in den 80ern nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Im Konferenzraum des noch jungen 21. Jahrhunderts steht dem Management eine Flut an Daten zur Verfügung. Daher kommentiert der Vorstandsvorsitzende die Diskussion in diesem Meeting: »Meine Damen und Herren, wir alle haben die Zahlen gesehen. Doch was ist die Geschichte dahinter?«

Diese kleine Anekdote stammt von dem Unternehmensberater und Change-Manager Jacques Chlopczyk, der sich für die Wirkungsweise von Storytelling in Unternehmen interessiert. Wie kaum ein anderer hat er die Veränderungen im Arbeits- und Marktumfeld vieler Unternehmen im Blick, die den Einsatz von Geschichten heute rechtfertigen – und die diesen sogar zwingend erforderlich machen. Aus seiner Sicht ist es für Unternehmenslenker, Manager, vor allem aber Wissenschaftler, Techniker und Innovatoren dringend notwendig, die Kunst des Storytellings zu erlernen.

Für die Gestaltung unserer Zukunft sind Geschichten unverzichtbar. Denn Storytelling ist eine der wenigen Möglichkeiten, die wir noch haben, um uns überhaupt Gehör zu verschaffen. Wir brauchen Geschichten mehr denn je, um dieser komplexen Welt Ordnung, Struktur und Sinn zu geben.

Gehör verschaffen - dringend notwendig

In einer Zeit, in der wir Zugang zu unerschöpflichen Informationsquellen haben, mit Datenmaterial mehr als ausreichend versorgt sind, und in der wir uns sogar dagegen wehren, dass noch mehr Daten erhoben werden, um die letzten Reste unserer Privatsphäre zu schützen, bauen sich immer mehr Aversionen gegenüber rationalen Argumenten und Fakten auf. Darüber hinaus streuen Populisten geschickt entfesselte »Fake News« und verbreiten Nachrichten und »Wahrheiten«, die ihnen ins Programm passen.

Angesichts des Tsunamis an Informationen und der unkontrollierten Big-Data-Flut fällt es immer schwerer, Wichtiges von Unwichtigem und Richtiges vom Falschem zu unterscheiden. Bei manchen Daten, die so gar nicht mit unserer vorgefassten Meinung übereinstimmen, erscheint es uns oft leichter, diese zu negieren. Oder aber sie einfach zu ignorieren und ungenutzt in den riesigen »Data- Lakes« zu versenken.

Nie war es notwendiger, Daten auszuwerten, zu verstehen und schnellstmöglich sinnvoll zu nutzen. IT-Spezialisten, Ingenieure, Biologen, Chemiker, Mediziner – sie alle erheben ständig wertvolle Daten. Sie sind gefordert, die Erkenntnisse dieser Informationen sichtbar zu machen und verständlich zu vermitteln.

Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Wissenschaftler in ihren Elfenbeinturm zurückziehen konnten. Heute haben sie alle die Pflicht, die Relevanz der von ihnen erhobenen Daten und Fakten deutlich zu machen, Zusammenhänge zu erläutern und zu erklären. Und dies nicht nur rational, sondern auch emotional.

6 Wirkungsdimensionen des Storytellings

Geschichten helfen uns, zu verstehen, zu lernen und zu vertrauen. Stories sind überzeugend, aufmerksamkeitsstark und merkfähig. Jeder, der die Kunst des Geschichtenerzählens einsetzt, kann auf sechs Wirkdimensionen vertrauen – sechs Kräfte des Storytellings, die für die Zukunft entscheidend sein können:
  1. Aufmerksamkeit: Geschichten machen neugierig. Sie wecken unser Interesse und helfen uns, neue Welten zu entdecken und Erfahrungen zu sammeln.

  2. Verständlichkeit: Geschichten erleichtern das Verstehen. Sie bieten spielerische Konzentration auch bei komplexen Themen. Wer Daten und Fakten in einer Geschichte sinnvoll zusammenfasst, hilft dabei, die Bedeutung der eingebetteten Informationen schneller und leichter erfassbar zu machen.

  3. Glaubwürdigkeit: Geschichten kontextualisieren. Wer Fakten in einer Story in einen logischen Zusammenhang stellt, erhöht deren Glaubwürdigkeit. Im Idealfall baut der Rezipient Vertrauen zur Hauptfigur der Geschichte auf und folgt ihr in deren Erzählwelt. Dieses Vertrauen überträgt sich auch auf den Erzähler.

  4. Überzeugungskraft: Geschichten sprechen alle Bereiche der Großhirnrinde an. Gehirnzentren, in denen sowohl das logisch-analytische als auch das intuitiv-emotionale Denken verankert sind, werden beim Hören einer Geschichte aktiviert. Daher überzeugen Stories auch in asymmetrischen Kommunikationssituationen, in denen Sender und Empfänger unterschiedliche Interessen haben und nicht den gleichen Aufwand betreiben, um sich zu informieren.

  5. Merkfähigkeit: Stories lassen uns Ereignisse durchleben, als wären wir selbst dabei. Daher ist der Erinnerungsfaktor von Geschichten weit höher als der bei der Aufnahme purer Daten und Fakten.

  6. Lerneffekt: In Geschichten gleichen wir Erfahrungen ab. Wir überprüfen, ob wir die dargestellte Situation bereits kennen, und vertiefen so unser Wissen über diese Zusammenhänge. Sind Information und Situation neu, durchlaufen wir diese stellvertretend mit dem Helden der Story. Anhand des Schicksals der Hauptfigur lernen wir – ohne selbst die tatsächliche Erfahrung machen zu müssen.
Geschichten bekommen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung. Die Kunst des Storytellings wird unter anderem dafür entscheidend sein, ob wir von den Innovationen, die wir für eine lebenswerte Zukunft brauchen, erfahren und ob wir die Chancen, die dadurch entstehen, ergreifen oder ungehört verstreichen lassen.

Sie wollen selbst mehr erzählen – statt nur zu präsentieren? Dann lesen Sie doch gerne weiter. In dem Buch, aus dem dieser Text stammt: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019.

Und Sie wollen noch einen Talk zum Thema "Storytelling" ansehen? Dann interessiert Sie vielleicht mein aktueller TEDx-Talk "Über gutes Storytelling und die dunkle Seite des Erzählens".


Photo by Isabella and Louisa Fischer on Unsplash

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