Wohin mit den Händen? Storytelling statt Körpersprachetraining

 

Bei einem Vortrag werden die Hände plötzlich zum lästigsten Körperteil. Was sich im Alltag als selbstverständlich anfühlt, ist auf der Bühne plötzlich ein einziger Krampf. Im Gehirn rotiert dann oft nur noch ein einziger Gedanke: „Wohin damit?“

Das Ergebnis ist das Gegenteil von »authentischer« Körpersprache? Doch was genau ist das? Authentisch sind Gesten und Bewegungen dann, wenn sie die Sprache selbstverständlich verstärken.

Im Alltag machen wir das unbewusst und verschwenden kaum einen aktiven Gedanken darauf. Doch in dem Moment, in dem wir uns im Vortragssaal oder Konferenzraum erheben und nach vorn gehen, wissen wir nicht mehr, wohin mit Armen, Beinen, Kopf oder Schultern.

Kein Wunder, denn unser Primatengehirn warnt uns in diesem Moment eindringlich, dass wir uns soeben von der Gruppe entfernen und Gefahrlaufen, ausgegrenzt zu werden. Das Gehirn blockiert.
»For inexperienced speakers, the physical act of being onstage can be the most difficult part of giving a presentation – but people tend to overestimate its importance. Getting the words, story, and substance right is a much bigger determinant of success or failure than how you stand or whether you’re visibly nervous.« - Chris Anderson
Für Chris Anderson, Mitbegründer der TED-Talks, ist das Wichtigste, wenn es um Körpersprache geht: Augenkontakt. Suchen Sie sich fünf oder sechs Personen im Publikum, die an unterschiedlichen Positionen sitzen und die Ihnen freundlich gesonnen erscheinen. Sehen Sie diese Personen in unterschiedlicher Reihenfolge immer wieder direkt an.

Blickkontakt mit wenigen Personengenügt schon, um eine authentische Wirkung auf das ganze Publikum im Raum zu haben. Die beste Methode allerdings, um wirklich authentisch zu gestikulieren, lässt sich nicht über Tipps zu Augenkontakt und Körperspracheregulieren. Die beste Methode für eine authentische Körperhaltung ist, eine Geschichte zu erzählen.

Wenn Sie Ihre Präsentation mit einer Story starten, ist dies ein entspannter Start – für Ihr Publikum und für Sie selbst. Geschichten sind einfach zu merken und leicht zu erzählen. Idealerweise ist es Ihre eigene Geschichte, dann brauchen Sie sich um Körpersprache keine Gedanken zu machen. Automatisch werden Sie eine natürlich wirkende Körperhaltung und Körpersprache einsetzen.

Denn wenn wir Geschichten erzählen, fallen wir nicht nur sprachlich, sondern auch mit Mimik und Gestik in einen Konversationsmodus: Wir lächeln, nehmen Augenkontakt auf und unterstreichen mit Gesten unwillkürlich das Gesagte. Wenn Sie Ihre Geschichte gut erzählen, wird es Ihnen das Publikum auch mit positivem Feedback danken. Sie erhalten ein Lächeln oder einen Lacher zurück, Zuhörer machen es sich in ihrem Stuhl bequem oder lehnen sich nach vorne, um besser zuhören zu können. Laptopdeckel werden geschlossen, und Augen richten sich anstatt aufs Smartphone auf Sie. Diese positive Resonanz aus dem Publikum bestärkt Sie, weiterzumachen, und so können Sie sich den schwierigeren Teilen Ihrer Rede, vielleicht dem eher abstrakten Part, widmen, bei dem es Ihnen sicher schwerer fällt, diesen mit Ihrer Körpersprache zu unterstreichen.

Der Grund, warum wir uns in Präsentationen mit unserem Körper so abmühen, liegt – abgesehen von der psychischen Stresssituation – auch an den Wörtern, die wir nutzen. Je abstrakter die Wörter, umso schwieriger wird es für unseren Körper. Zu konkreten Worten wie weit, hoch, tief, groß, Berg, Tal, Tisch oder Stuhl haben wir einen körperlichen Bezug. Unser Arme und Beine können die Bedeutung dieser Worte begleiten. Abstrakte Worte wie Strategie, Planungssicherheit oder Konzeption sind für unseren Körper jedoch »Terra incognita«, blinde Flecken, nicht greifbar, nicht erfassbar. Kein Wunder also, dass wir nicht wissen, wohin mit Armen und Beinen. Versuchen Sie daher, in Ihrem Vortragzwei verschiedenen Phasen zuunterscheiden:

  1. Die erzählerische Phase: Hier unterstreichen Sie gestenreich Ihre Geschichten, setzen Arme und Hände aktiv ein, nehmen auf der Bühne einen Positionswechsel vor oder gehen auf das Publikum zu.
  2. Die Botschaften-Phase: Das sind die Momente, in denen Sie abstrakt werden und die Hauptthesen Ihres Vortrags präsentieren. Unterstreichen Sie Ihre Worte mit sparsamen Bewegungen. Nehmen Sie eine feste Position ein, und kommen Sie körperlich für einen Moment zur Ruhe. Signalisieren Sie mit dieser reduzierten Körpersprache, dass dies ein wichtiger Moment der Präsentation ist. 

Noch ein paar Tipps ...

  • Bevor es losgeht: Finden Sie in aller Ruhe Ihren Platz auf der Bühne und »nehmen Sie ihn ein«, indem Sie sich hinstellen, aufschauen, loslegen. Achten Sie auf eine aufrechte Haltung: Spannung im Rücken hilft Ihnen, sich zu konzentrieren.

  • Jetzt echt .. wohin mit den Händen? Lassen Sie sie locker nach unten hängen oder positionieren Sie sie leicht angewinkelt am Körper. Oder aber Sie halten etwas in der Hand (dann winkeln Sie automatisch die andere Hand an): einen Laserpointer, eine Karte (keinen Kugelschreiber – zu groß ist die Gefahr, diesen nervtötend zu drücken).

  • Machen Sie es ruhig italienisch: Unterstreichen Sie mit den Händen, was Sie sagen. Das hilft Ihrem Publikum, aufmerksam zu bleiben.

  • Bewegen Sie sich: Der Wechsel der Position schafft Dynamik und weckt Interesse. Aber übertreiben Sie es nicht. Ganz wichtig, wenn Ihr Vortrag gefilmt wird: Sprechen Sie sich vorher mit Kameramann oder -frau ab.

  • Absolutes No-Go: Wippen. Auf den Zehenspitzen zu wippen, ist verboten.

Weitere Tipps für Ihre nächste Präsentation finden Sie in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019.

Sie wollen einen Talk zum Thema "Storytelling" ansehen? Dann interessiert Sie vielleicht mein aktueller TEDx-Talk mit dem Titel "Über gutes Storytelling und die dunkle Seite des Erzählens".

Photo by Alex Shaw on Unsplash

Most Popular Blogposts

Kontakt zu Petra Sammer

Name

Email *

Message *