Visual Turn - Wir müssen uns dringend um die Bilder kümmern

Im Jahr 2011 wurden in nur einem einzelnen Jahr mehr Fotos produziert, als im gesamten Zeitraum seit 1826, der Erfindung der Fotografie durch Joseph Nicéphore Niépce. 2017 wurden 1,2 Trillionen Fotos geschossen, hundert Milliarden mehr als im Vorjahr. Zahlen für 2020 gehen weit darüber hinaus. Noch nie waren Menschen einer derartigen Tsunami an Bildern ausgesetzt wie heute. Das gilt nicht nur für Fotos, sondern auch für Infographiken, animierte Gifs und Videos. Das Telekommunikationsunternehmen Cisco prophezeit für das Jahr 2021, dass über 82% des gesamten Internet-Traffics allein durch Videonutzung generiert werden wird.

Kommunikationsverhalten im Wandel

Visuelle Inhalte dominieren mehr und mehr in Social-Media-Kanäle aber auch in traditionellen Medien wie Zeitschriften, Zeitungen, in Webseiten und Blogs. Eine ganze Generation — die nach 1995 geborene Generation Z — identifiziert sich über Bilder auf Instagram, Pinterest, Snapchat und Filmchen auf TikTok. Das Informations- und Kommunikationsverhalten wandelt sich. Und dies hat massiven Einfluss auf die Kommunikationsarbeit von Unternehmen und Marken, denn der Visual Turn — die Abkehr von Text und Hinwendung zu Bild — hat längst Einzug gehalten in der internen und externen Kommunikation.

Schleichender Wandel

Der Wandel war schleichend, vielen fiel der Umbruch gar nicht auf. Aber an jedem Schreibtisch ist diese neue Welt heute zu sehen. Noch vor zehn Jahren war das Texten mit zwei Daumen auf dem Blackberry nicht nur prestigeträchtig, sondern auch die effizienteste Art und Weise, mit Kollegen*innen in Kontakt zu treten. Heute steuern wir Computer, Tablets und Handys durch das Berühren und Wischen (touch and swipe) von Bildsymbolen und Kacheln. Wo früher der Mitarbeiterbrief gelesen wurde, wird heute die Video-Botschaft vom Vorstand aus dem Intranet geladen. Animierte Infographiken visualisieren Datenmengen, Augmented und Virtual Reality geben ganz neue Einblicke. Tag um Tag gewöhnen wir uns an neue Formen der visuellen Kommunikation. Und dies aus gutem Grund. Denn Bilder haben unschlagbare Vorteile.

Warum Bilder über Text triumphieren

Unser Gehirn verarbeitet visuelle Informationen bis zu 60.000-mal schneller als Text. Bilder sind wesentlich einfacher zu verarbeiten als Text. Wenn wir Sprache lernen, lernen wir zunächst einzelne Buchstaben, setzen diese dann zu Worten zusammen und stellen diese wiederum in Reihe zu einem Satz, aus dem wir im Zusammenspiel mit anderen Sätzen einen Sinn lesen. Unser Gehirn ist — trotz Übung — mit Text massiv beschäftigt — weit mehr als mit Bildern. In Bildern erfassen wir komplexe Vorgänge in Sekundenbruchteilen. Unser limbisches System, der intuitive Teil unseres Gehirns, wo Emotionen, Triebe und Instinkte verarbeitet werden und das Daniel Kahnemann als „System 1“ bezeichnet, greift unwillkürlich und blitzschnell bei Bildern zu.

Visuelles Storytelling — show me, don’t tell me

Unter diesen Voraussetzungen ist es dringend geboten, dass sich Kommunikationsprofis in Unternehmen mit Bildkommunikation auseinandersetzen und sich fit machen in Auswahl und Umgang mit Bild und Bewegtbild.

Entscheidend ist, dass hier nicht von herkömmlichen Bildern die Rede ist. Erfolgreiche Bildkommunikation erfordert weit mehr als das übliche Stock-Material oder anonyme Symbolbilder, die in standardisierten Image- und Industriefilmen oft die Regel sind und die wir aus vielen Unternehmensbroschüren und PowerPoint-Präsentationen kennen.

Symbolbilder dienen vor allem nur einem: der Dekoration von Texten. Sie duplizieren den Text oder das gesprochene Wort und geben dem Zuschauer keinen echten Mehrwert. Diese Art Bilder wird vom Auge des Betrachters zwar erfasst, da aber deren Nachrichtenwert so gering ist, werden diese Bilder so gut wie nicht wirklich wahrgenommen.

Gefragt sind “narrative Bilder“

Visuelles Storytelling sieht anders aus. Es baut auf Bilder, die eine Aussage treffen, auf Bilder, die Aufmerksamkeit wecken, provozieren, interessieren und motivieren. Visuelles Storytelling setzt auf “narrative Bilder”.

Wann aber ist ein Bild tatsächlich narrativ und wodurch unterscheidet es sich von herkömmlichen Bildern? Um dies zu beantworten, ist es entscheidend, die Erfolgsfaktoren einer guten Geschichte zu kennen:

1. Jede gute Geschichte hat einen guten Grund erzählt zu werden. Wer erzählen will, sollte wissen, warum er erzählt. Was ist der “Reason Why”, der sinnstiftende Anlass der Story? Was soll der Zuschauer mit Hilfe der Geschichte lernen und was soll demnach Bild und Video visualisieren?

2. Jede Geschichte braucht einen Helden, eine Hauptfigur, mit der sich der Zuschauer identifizieren kann. Storytelling ist exemplarisches Erzählen. Es ist Erzählen an einem Beispiel und keine allgemeingültige Aussage oder Beschreibung — gleiches gilt auch für die Bildauswahl. Relevanz ist entscheidend und nicht Wahllosigkeit.

3. Jede gute Geschichte beginnt mit einem Konflikt. Als Publikum wollen wir miterleben, wie der Held Schwierigkeiten und Herausforderungen durchlebt und meistert. Spannung entsteht durch Konflikte und nicht durch erwartbare Lösungen. Und genau diese Konflikte und Kontraste müssen zu sehen sein.

4. Gute Geschichten gehen ans Herz. Wer Geschichten erzählen will, muss bereit sein, sein Publikum zum Lachen zu bringen oder zu Tränen zu rühren — eben mit dem richtigen Bildmaterial.

5. Jede gute Geschichte wird weitererzählt. Viralität ist keine Erfindung des Internets. Die besten Geschichten werden bereits seit tausenden von Jahren von Generation zu Generation weitergegeben. Heute mehr denn je.

Setzen Sie also auf die richtigen Bilder!

Mehr zu Thema Visual Storytelling und meiner Arbeit finden Sie hier: https://www.petrasammer.com/seminars/visual-storytelling/

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