OXYTOCIN: DIE DROGE DES VERTRAUENS


Neulich auf dem Neuromarketingkonress in München. In der BMW-Welt haben sich 400 Marketing- und Vertriebsmanager versammelt, um zu erfahren, welche Erkenntnisse der Neurowissenschaften für den Abverkauf von Produkten und Dienstleistungen hilfreich sind. Professor Markus Heinrichs der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ist einer der ersten Redner und er ist ziemlich ehrlich zu seinem Publikum. Denn er hat zwar einige spannende Erkenntnisse mitgebracht, aber in der täglichen Praxis des Marketings oder gar des direkten Verkaufs, dürften diese, so Heinrichs, kaum helfen. Warum? Nun, weil man weder ein paar Feld- oder gar Präriemäuse parat hat, noch mal schnell aus seiner Nasenwurzel das Neurohormon Oxytocin abzapfen kann, um das Verkaufsgespräch vertrauensseliger zu gestalten.

Wunderdroge Oxytocin
Und da ist sie schon, die Zauberformel, mit der man jedes Verkaufsgespräch garantiert zum Abschluss bringt. Das Wundermittel heißt Oxytocin. Unter weniger Fachkundigen -  und das ist eigentlich jeder im Vergleich zu Professor Heinrichs - auch "Kuschelhormon" genannt. Präriemäuse produzieren jede Menge davon, denn im Vergleich zu ihren Verwandten, den gemeinen Feldmäusen, leiben sie monogram. Immer mit dem gleichen Partner. Und die Erfahrung zweibeiniger Säugetiere namens Homo Sapiens, bestätigt, dass Ehepartner länger und gesünder leben. Ein Grund dafür ist die Ausschüttung von Oxytocin - ein Hormon, das nur dann ausgeschüttet wird, wenn man sich gegenseitig vertraut. 
Ach hätte man doch ein Fläschchen Oxytocin im Verkaufsgespräch dabei. Oder noch besser ein Parfüm, mit dem man gleich den ganzen Verkaufsraum einparfümieren könnte. Einen Raum des Vertrauens schaffen - das macht doch jedes Gespräch gleich viel einfacher.

Doch Professor Heinrichs bremst die Europhorie im Saal dann auch gleich wieder. Denn leider stehen weder das Fläschchen, noch das Parfüm bereit. Auch nicht in absehbarer Zeit. Und der Professor ist sogar sehr ernüchternd und gar selbst enttäuscht, dass er die Frage nicht beantworten kann, wo man denn auf die Schnelle Oxytocin herbekommen könne. 

Storytelling setzt auf Drogen
Während des Vortrages sitze ich wie auf Kohlen. Denn ich kann diese Frage beantworten. Aber mein Publikum muss sich noch etwas gedulden ... denn ich komme erst nach der Mittagspause auf die Bühne. Zum praktischen Teil des Kongresses. Aber dann, dann habe ich die Antwort auf die Frage, wo man Oxytrocin herbekommt: Mit Storytelling. Mit Geschichten. Nachgewiesen hat dies ein anderer Neurowissenschaftler, nämlich Dr. Paul Zak, Direktor des Centers of Neuroeconomic Studies der Claremont Graduate University. Zak zeigte einer Gruppe von Testpersonen einen kleinen Film mit der Geschichte des kleinen Ben, der mit seinem Vater im Garten spielt. Während Ben sich über das Spiel freut, kann sein Vater dies nicht so recht genießen, denn er weiß, dass Ben bald an Krebs sterben wird. Nach der Filmvorführung werden die Testpersonen befragt, welche Gefühle die Geschichte in ihnen ausgelöst hatten. Die Zuschauer konnten dies nur schwer in Worte fassen, so betroffen waren sie. Doch Zak hatte diese Frage bereits anders gelöst. Vor und nach der Filmvorführung nahmen er und sein Team den Zuschauern Blut ab und untersuchten es. Und das Blut sprach eine eindeutige Sprache. Im Blut fand sich nach dem Ansehen der Geschichte erhöhte Werte von zwei Hormonen: Cortisol und Oxytocin. Die Probanten fühlten sich durch die Geschichte gestresst (Cortisol) und sie empfanden Mitleid (Oxytocin). Doch sehen Sie sich den Film selbst an.

Geschichten setzten also nicht nur unser Gehirn komplett in Aktion, sie lösen in uns auch Körperreaktionen aus, als ob wir eine Geschichte tatsächlich erleben würden. Was Neurowissenschaftler durch erhöhte Gehirnaktivitäten und Ausschüttung von bestimmten Hormonen nachweisen können, das bezeichnen Psychologen als "Stellvertreterlernen". Als Zuschauer versetzten wir uns in die Lage des Helden einer Geschichte hinein und durchleben - anhand unserer Gehirnaktivitäten - tatsächlich das erzählte. 

Und ist es nicht genau das, was wir in Marketing und Vertrieb uns von unserer Zielgruppe wünschen? Dass sie unseren Argumenten und Produktvorstellungen folgen, und genau das Gleiche für ein Produkt oder eine Dienstleistung, eine Marke oder ein Unternehmen empfinden, wie wir selbst? Nun, mit Daten und Fakten gelingt uns eine Oxytocin-Ausschüttung nicht. Das schafft nur die Kraft der Geschichten.
Meinen gesamten Vortag auf dem Neuromarketingkongress - und auch den von Prof. Heinrichs -  finden Sie auf der Seite Kongressseite "Virtual & Reality".

Most Popular Blogposts

Kontakt zu Petra Sammer

Name

Email *

Message *