Was wirklich schwer ist – an Storytelling in der PR

 


Eine der größten Hürden ist das exemplarische Erzählen. Während PR und Werbung in der Regel allgemeingültig und grundsätzlich formulieren, um die Vorzüge eines Produkts oder einer Dienstleistung anzupreisen, wird im Storytelling nur eine einzige Geschichte exemplarisch herausgehoben.

Diese Auswahl, die Konzentration auf eine exemplarische Geschichte, stellt Unternehmen und Marken, die noch wenig Erfahrung mit Storytelling haben, vor eine schwierige Entscheidung. Dabei ist die Reduktion ein ganz entscheidendes Element für den Erfolg der Geschichte. Nur eine klar definierte Hauptfigur garantiert die Aufmerksamkeit des Rezipienten, denn Zuschauer identifizieren sich nur schwer mit amorphen »Zielgruppen« oder abstrakten Gebilden wie »Unternehmen« oder »Marken«.

Und hier kommt bereits die nächste Herausforderung für professionelle Storyteller im Businessumfeld: Unternehmenskommunikation und Marketing haben die Aufgabe, Aufmerksamkeit für Unternehmen und Marke zu schaffen. Daher stellen sie sich selbst in das Zentrum ihrer Geschichten. Pressemitteilungen und Produktinformationen präsentieren das eigene Produkt zentral als »Held« und Lösung. Wer jedoch Storytelling erfolgreich anwenden will, muss sich mit einem anderen Rollenverständnis abfinden: Unter den Protagonisten einer Geschichte ist die Rolle des »Enablers« oder »Mentors« die weit bessere als die des Hauptdarstellers. In erfolgreichen Storys treten Unternehmen und Marken hinter den Helden der Geschichte zurück bzw. an ihre Seite, werden wie Robin neben Batman oder Samweis Gamdschie neben Frodo Beutlin zum Freund und Förderer des Hauptdarstellers, stellen sich selbst aber nicht in den Mittelpunkt.

Der bescheidene Schritt in den Hintergrund ist letztendlich aber nicht die größte Schwierigkeit in der Anwendung von Storytelling in PR und Marketing. Die Regel, dass jede gute Geschichte mit einem Konflikt beginnt, fordert von Unternehmen und Marken sicher die größte Umstellung. Denn jeder Unternehmenssprecher und Produktmanager will vor allem eines: ausführlich über Lösungen sprechen – aber nicht über Konflikte oder Probleme. Doch Lösungen machen keine Geschichten.

»Stories come from the dark side«, so Robert McKee.

Letztendlich müssen sich Public Relations und Produktmarketing auf die Kunst des Entertainments einlassen und wesentlich mehr Emotionalität zulassen, als es bisher praktiziert wird. Storytelling erfordert eine aktive, plastische und vor allem bildhafte Sprache. Besonders die Unternehmenskommunikation ist dabei aufgefordert, weniger Nominalstil und mehr plakative Alltagssprache zu wagen, weniger Ratio und mehr Emotion, weniger Text und mehr Bild. Geschichten sind Kopfkino und liefern Bilder, die unsere Fantasie und Imagination anregen.

Über die Kunst, visuell zu triggern

Im Frühjahr 2015 kündigte sich eine harmlose Kinokomödie mit dem Titel »Unfinished Business« an. Vince Vaughn spielt darin den amerikanischen Unternehmensberater Dan Trunkman, der enttäuscht über eine zu niedrige Prämie seinen Job hinwirft und eine eigene Firma gründet. Dazu engagiert er den unerfahrenen Mike Pancake, gespielt von Dave Franco, und den Rentner Tim, dargestellt von Tom Wilkinson. Dem jungen Team winkt schon bald das Glück, denn es kann vielleicht einen dicken Auftrag in Deutschland an Land ziehen. Dan und seine Kollegen müssen nur noch nach Berlin fliegen und sich in einer Präsentation gegen den letzten verbliebenen Konkurrenten durchsetzen: Dans ehemaligen Arbeitgeber. Die Komödie zeigt amerikanisch deutsche Klischees, Bürowitze und den typischen Machtkampf in Unternehmensberatungen. Wegen seiner Handlung wäre der Film nicht weiter erwähnenswert, wenn da nicht die unkonventionelle Art der Vorankündigung zur Filmpremiere wäre.

Die Macher von »Unfinished Business« vermarkteten den Film nicht wie üblich mit Set-Fotos, die die Schauspieler bei ihrer Arbeit am Drehort und in ausgewählten Actionszenen zeigen, sondern sie baten ihre Hauptdarsteller zu einem ganz besonderen Fotoshooting.

In blitzsauberen Anzügen und überkorrekten Frisuren. Mit affektierten Gesten und eingefrorenen Posen. Mit bewusst gewählten Bildausschnitten und in sehr bekannter blaue Tonfärbung (Bilder hier).

Sie ahnen es sicher: Vaughn und seine Kollegen parodieren mit ihrem Film nicht nur die Consulting-Branche, sondern auch die dazu passenden stereotypen Stockfotos. Machen Sie den Test und geben Sie in der Google-Bildersuche den Begriff »Kollegen« ein. Sie finden sicher Treffer, die den Promo-Bildern von „Unfinished Business“ bis aufs Haar gleichen.

2011 veröffentlichte iStock, ein Tochterunternehmen von Getty Images, die drei meistverkauften Bilder des Jahres in Deutschland. Die Bildauswahl ist keine Überraschung: Die Stärke der Stockfotografie ist, dass ihre Motive so variabel wie möglich einsetzbar sind und zu den unterschiedlichsten Anlässen und Situationen passen. Der Stil dieser Fotografie ist so neutral gehalten, dass er sich in diverse Designs und optische Umfelder mühelos einreiht.

Die Mehrzahl der Bilder, die in PR und Marketing zur Anwendung kommen, sind genau diese stereotypisierenden Aufnahmen, sind allgemeingehaltene Produktfotos (»Productshots«), »Stills« (abgeleitet vom Kunstbegriff »Stillleben« oder dem englischen Begriff »still-life photography«) oder neutral gehaltene Portraits. Stockbilder eigenen sich, um Broschüren, Produktinformationen, Unternehmensporträts oder Webseiten zu bebildern und Texte aufzulockern. Sie dienen der Begleitung und puren Dekoration.

Was diese Bilder in der Regel jedoch nicht leisten, ist visuelles Storytelling. Sie erzählen keine Geschichten. Wie sehr sich Bilder – und auch Videos – im Dienst des Visual Storytelling von dem so populären Stockmaterial unterscheiden, hat die Bildagentur Getty Images auf die folgende einfache Formel gebracht.

Powerful visuals + evoke emotions =Deeper engagement

»Powerful visuals evoke emotions, driving a deeper engagement and more profound change in behavior.« - Getty Images beschreibt mit dieser Formel Bilder, die so kraftvoll sind, dass sie beim Betrachter echte Gefühle auslösen, eine emotionale Bindung knüpfen und tiefgreifende Verhaltensänderungen anstoßen können. Dabei listet die Bildagentur vier Kriterien auf, die diese Art Bilder kennzeichnen:
  1. Sie sind authentisch.
  2. Sie sind kulturell relevant.
  3. Sie sprechen alle unsere Sinne an.
  4. Sie zitieren klassische Archetypen des Storytelling.
Vier Kriterien, die nicht überraschen, die aber doch ein Bildmaterial beschreiben, das so anders ist als herkömmliches Stockmaterial.


Lesen Sie mehr zum Thema Visuelles Storytelling in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: „Visual Storytelling: Visuelles Erzählen in PR und Marketing“ von Petra Sammer und Ulrike Heppel, O´Reilly.



Photo by Hunters Race on Unsplash

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