Die beste Visual Storytelling-Kampagne aller Zeiten

 

Florida: Am Morgen des 28. November 1983 Uhr hebt im Kennedy Space Center die US-Raumfähre »Columbia« zu einer zwölftägigen Mission ab. Mit an Bord ist das »Spacelab«, Europas ehrgeiziges Weltraumlabor, und mit ihm ein 42-jähriger deutscher Physiker und der erste Bundesbürger im All: Ulf Merbold.

Köln: Mit den Worten »Ein Blödsinn, den wir heute Abend zu sehen bekommen haben« lehnt Marcel Reich-Ranicki, einer der einflussreichsten Literaturkritiker Deutschlands, den Deutschen Fernsehpreis 2008 ab. Der Eklat war typisch für den streitbaren und kontroversen Diskutanten, der durch die Fernsehsendung »Das Literarische Quartett« einem breiten Publikum bekannt wurde. Der jüdische Deutsch-Pole Reich-Ranicki wuchs in den 20ern in Berlin auf, wurde 1938 nach Polen ausgewiesen und zwei Jahre später zur Umsiedlung in das Warschauer Ghetto gezwungen. Nur knapp entkam er der Deportation nach Treblinka, wohingegen seine Eltern und Geschwister ermordet wurden. Kurze Zeit nach dem Krieg begann Reich-Ranicki als Literaturkritiker für zahlreiche Zeitungen zu arbeiten. Sein Lebenswerk, für das er den Deutschen Fernsehpreis erhalten sollte, galt der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Kultur und dem Kulturbetrieb. Kenia:

Drei Mal wurde Jochen Zeitz als »Stratege des Jahres« ausgezeichnet. 2004 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande. Der Manager war über 24 Jahre lang für PUMA tätig und unter seiner Führung wuchs der Sport- und Bekleidungskonzern zu einer globalen Sportmarke heran. Während der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland war PUMA die meistvertretene Marke. 32 WM-Teams wurden von PUMA ausgestattet, darunter alle afrikanischen Teams. Afrika weckte schon früh das Interesse von Zeitz – nicht nur aus geschäftlichen Gründen: »1989 bin ich zum ersten Mal nach Kenia gereist, seitdem hat mich der Kontinent nicht mehr losgelassen«, beschreibt Zeitz seine erste Begegnung. Als Manager schiebt er das Engagement von PUMA in zahlreichen sozialen und ökologischen Projekten sowie die Partnerschaft mit über 30 afrikanischen Hilfsorganisationen an. Als Privatmann setzt er sich bis heute mit Leidenschaft für diese Region ein. 2008 gründete er eine Stiftung mit dem Ziel, Umweltschutz, Gesellschaftsentwicklung, Kultur und Handel in Afrika in Einklang zu bringen. 2013 eröffnete er ein Retreat zugunsten des Segera-Wildschutzgebietes in Zentralkenia. Ende 2014 kündigt er das erste große Museum zeitgenössischer afrikanischer Kunst in Kapstadt an.

Drei Geschichten – drei Bilder

Ulf Merbold, Marcel Reich-Ranicki und Jochen Zeitz: drei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, drei ganz unterschiedliche Geschichten. Was verbindet die Namen dieser Männer, deren Lebensläufe so verschieden sind? Alle drei haben eine klare Vision, die sie mit Leidenschaft verfolgen – ob in Wissenschaft, Kunst oder Wirtschaft. Alle drei sind selbstbewusste Macher, die Außergewöhnliches geleistet haben. Vor allem aber: Alle drei sind kluge Köpfe. Es sind drei von über 90 »klugen Köpfen«, die in der Anzeigenkampagne der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ihren Kopf hinter die Zeitung stecken und sich dabei fotografieren lassen.

»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf« ist seit 1964 der Werbeslogan der F.A.Z. Seit 1995 orientiert sich auch die Printkampagne der Zeitung an diesen Worten. Eine Kampagne, die seit 20 Jahren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in immer gleicher Pose auf Fotos präsentiert, um die Marke »Frankfurter Allgemeine Zeitung« zu bewerben.

»Kluge Köpfe« ist ein lehrreiches Beispiel für visuelles Storytelling. Wer das Erfolgskonzept und die Prinzipien dieser Art der Kommunikation verstehen will, sollte sich mit der F.A.Z.-Kampagne ausführlicher beschäftigen und genau hinsehen.

Raumschiff am Bootssteg

Vierzehn Jahre nach seinem ersten Start ins All setzt sich Ulf Merbold 1997 um 4.08 Uhr morgens auf einen Bootssteg in der Nähe des Raumfahrtzentrums Cape Canaveral, rechtzeitig zum Start der Raumfähre »Atlantis«. Ein symbolträchtiger Ort, denn auch die Entdeckungsgeschichte der Menschheit begann an einem Bootssteg. Ob Schiff oder Raumschiff – Menschen brachen immer von Ufern auf, wenn sie neue Welten entdecken wollten. Merbold scheint den spektakulären Raketenstart jedoch zu verpassen, denn er muss Cape Canaveral den Rücken zukehren und sich in die Zeitung vertiefen. Der ehemalige Astronaut wurde an diesem Tag trotzdem Augenzeuge, denn er behalf sich mit einem Trick: Merbold legte in die Zeitung einen kleinen Taschenspiegel und verfolgte so das Abheben der Raumfähre. Nach drei Ausflügen ins All und im Alter von 56 begleitet er immer noch jeden Start ins All mit Sehnsucht. Astronaut war schon immer der Lebenstraum des Thüringers, der sich einst als junger Wissenschaftler auf eine Stellenanzeige der European Space Agency in der F.A.Z. bewarb. Gesucht wurde ein »Wissenschaftler im Weltraumlabor.«

Literatur versus Fernsehen

Marcel Reich-Ranicki arbeitete 1958 nach seiner Rückkehr nach Deutschland als Literaturkritiker im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Als Publizist und Kritiker machte er sich bald einen Namen in der jungen Republik. Breite Popularität erlangte er jedoch erst mit seiner eigenen Fernsehsendung ab 2001. Die Ablehnung des Deutschen Fernsehpreises und die damit verbundene Kritik an der Qualität des Fernsehens kamen daher umso überraschender. Der Moderator der Preisverleihung in Köln, Thomas Gottschalk, war für kurze Momente sprachlos, bot Reich-Ranicki dann aber spontan ein Streitgespräch zum Thema »Fernsehen und Kultur« an. So kam es zu einer Diskussionsrunde zwischen dem »Literaturpapst« und Deutschlands beliebtestem Showmaster. Das ZDF sendete das Gespräch zu später Stunde am 17. Oktober 2008. Für die Kampagne »Kluge Köpfe« inszenierte sich Reich-Ranicki auf einem Frankfurter Recyclinghof. Er thront inmitten alter, ausrangierter Fernsehapparate. Bezeichnend, denn der Kritiker war nach dem Eklat um den Fernsehpreis dem Vorwurf ausgesetzt, dass er in seinem hohen Alter dem Qualitätsverständnis des Mediums Fernsehen und dem Anspruch eines modernen Publikums nicht gewachsen sei. Reich-Ranicki verwies im Gegenzug auf die schädliche Einflussnahme des Fernsehens auf Literatur und andere Kunstformen und spottete, dass sich das Fernsehen vor allem durch Wiederholungen und Recycling alter literarischer Stoffe interessant zu machen versuche.

Die Gelassenheit eines Pumas

Rudolf und Adi Dassler führten seit 1924 zusammen in Herzogenaurach eine Schuhfabrik. Doch nach dem Krieg kam es zum Krach zwischen den Brüdern und Adi Dassler firmierte das Unternehmen in Adidas um. Rudolf gründete 1948 seine eigene Firma, die er zunächst Ruda (aus Rudolf Dassler) nennen wollte. Aufgrund der ähnlichen Klangfarbe, vor allem aber der Assoziation von Kraft und Dynamik, benannte er die Marke schließlich nach dem amerikanischen Berglöwen: Puma. Im amerikanischen Sprachgebrauch wird der Puma als »Panther« bezeichnet. Im Deutschen wiederum wird »Panther« als Name für Leoparden verwendet. Und so ist es kein Zufall, dass Jochen Zeitz für sein F.A.Z.-Motiv in Afrika auf einem Baum sitzt. Der afrikanische Leopard verbringt den Tag verborgen auf Bäumen. In der Dämmerung beobachtet er seine Beute, die er nach dem Erlegen hoch hinauf zu seinem Ansitz in Sicherheit bringt. Im April 2006 steigt Zeitz in der Morgendämmerung Kenias auf eine 15 Meter hohe afrikanische Schirmakazie, um sich dort ablichten zu lassen.

Herausragendes visuelles Storytelling

Eine Revolverkugel durchfetzt Zeitungsseiten. Dahinter liest eine Frau seelenruhig und nervenstark Zeitung: Maria Furtwängler alias Tatort Kommissarin Charlotte Lindholm. Sonnenschirme und Liegestühle, die am Strand von Rimini sauber in Reih und Glied stehen – wie man es aus der Filmsatire »Man spricht deutsch« kennt. Nur einer tanzt mit Stuhl und Zeitung aus der Reihe: der Kabarettist Gerhard Polt. Blauer Dunst verdeckt die Sicht, doch gerade aufgrund des dicken Zigarettenrauchs erahnt man, wer da hinter der Zeitung steckt: Helmut Schmidt.

Drei von über 90 Bildern. Bilder, von denen jedes einzelne eine Geschichten erzählt. In »Kluge Köpfe« gelingt es den Machern der Kampagne immer wieder, in nur einem einzigen Bildmotiv die Geschichte einer Person prägnant, aufmerksamkeitsstark und unterhaltsam zu inszenieren. Und das, ohne das Gesicht der Person selbst abzubilden. Jedes Bild ist ein Hingucker und jedes Motiv lädt den Betrachter ein, über die Geschichte dahinter zu reflektieren.

Diese einmalige Kampagne lehrt jeden, der mit Bildern kommuniziert: Was macht ein Bild zu einer aufmerksamkeitsstarken Geschichte und eine Geschichte zu einem merkfähigen Bild?

Ist das letzte Motiv mit Deutsche-Post-Chef Frank Appel auf dem Verteilerband eines Paket-Zentrums vom Juni 2020? Bitte unbedingt weitermachen.


Mehr Infos, Hintergrundwissen und Beispiel zum Thema „Visuelles Erzählen“ finden Sie in dem Buch „Visual Storytelling: Visuelles Erzählen in PR und Marketing“ von Petra Sammer und Ulrike Heppel, O´Reilly – aus dem dieser Textauszug stammt.

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