Storytelling: Die richtigen Worte finden

 

»Nobody, but nobody, reads policy statements except for the person who wrote them, and then only because they get paid to do it. But there are a percentage of your employees who will listen to a good story.« – nach David Armstrong
Zum sechsten Mal schafft es Tim Höttges (Telekom) auf Platz eins des Hohenheimer Verständlichkeits-Index. Das heißt Höttges hält unter den DAX-CEOs die verständlichsten Reden. In der Studie, die seit 2012 jährlich wiederholt wird, analysierten die Kommunikationswissenschaftler der Uni Hohenheim softwarebasiert die Redemanuskripte der CEOs auf Schachtelsätze, Passivkonstruktionen und Wortungetüme. Platz zwei belegen 2020 Stephan Sturm, CEO von Fresenius SE und Dr. Theodor Weimer von der Deutschen Börse. Erfreulicherweise verzeichnen die Wissenschaftler von Jahr zu Jahr eine Steigerung. Deutschlands Topbosse verbessern ihren Sprachstil kontinuierlich – hin zu mehr Verständlichkeit.

Frischgebackene CEOs, die ganz neu auf dem Chefposten sitzen, bilden dabei aber die Ausnahme. Sie tun sich offenbar schwerer als erfahrene Bosse mit einfachen Sätzen und leicht erfassbaren Inhalten.

Hier ein Beispiel: »Sie werden ausführliche schriftliche Unterlagen erhalten, in denen insbesondere die geplante Transaktion, der Fusionspartner Praxair, die Unternehmensführung der neuen Holdinggesellschaft, die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses, die erforderlichen Genehmigungen, die finanziellen, bilanziellen und steuerlichen Auswirkungen der Transaktion sowie deren technische Abwicklung im Detail beschrieben werden.« Mit dieser und ähnlichen Satzkonstruktionen fiel Linde-Chef Aldo Belloni 2017 im Ranking der verständlichsten DAX-Chefs auf den letzten Platz zurück. Abgesehen von diesen unrühmlichen Ausnahmen gibt die Tendenz, die die Hohenheimer Sprachwissenschaftler aufzeigen, doch Grund zur Hoffnung.

Hoffnung nicht nur auf mehr Verständlichkeit in der Rede, sondern auch auf mehr Einsatz von Storytelling auf Topmanagerniveau. Denn Geschichten können nur in einer verständlichen, klaren Sprache erzählt werden. Wer auf emotionale Kommunikation setzt, muss sich einer aktiven, plakativen, bildhaften, variantenreichen, ausschmückenden, vor allem aber einfachen Sprache bedienen.

Laiensprache schlägt Fachsprache

Doch was hindert Manager eigentlich daran, im Geschäftsumfeld „einfach“ zu sprechen – so einfach wie im privaten Alltag? Für die Wirtschaftswissenschaftler Chip und Dan Heath ist das klar:

»The reason is simple: because the difference between an expert and a novice is the ability to think abstractly.«
Fachbegriffe, verschachtelte Satzkonstruktionen, Passivkonstruktionen, Nominalstil – diese Merkmale einer komplexen Sprache unterstützen scheinbar die Profilierung eines Redners, zeichnen ihn (vermeintlich) als Profi und Experten aus und heben ihn ab vom unwissenden Neuling.

Die Sprache, die wir wählen, ist gleichsam ein Signal an das Publikum. Eine komplizierte Metasprache nimmt bewusst oder unbewusst in Kauf, dass sie schwer verständlich ist. Sie ist Symbol dafür, dass der Sprecher wissend und gebildet ist und das Publikum unwissend und laienhaft. Hinzu kommt auch, was Chip und Dan Heath »The Curse of Knowledge « (Fluch des Wissens) nennen. Nicht nur, dass der »Experte« mit der komplexen Sprachwahl seine Professionalität unterstreichen will, er drückt sich auch komplex aus, weil er viel weiß – zu viel weiß.

Die Brüder Heath belegen dies mit dem Sprachstil, der in vielen Businessstrategien und Unternehmensleitsätze zum Einsatz kommt. Meist sind die Sätze, die die Vision oder Mission eines Unternehmens beschreiben, wohlformulierte Passivkonstruktionen mit einer Anhäufung von Substantiven. Gewählt wird eine abstrakte Sprache für einen abstrakten Sachverhalt.

Für die Macher einer Businessstrategie, die sich monatelang beraten und sich mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt haben, sind die Worte, mit der eine Strategie komplex erklärt wird, klar verständlich. Für die Autoren der Strategie, die tage-, oft wochenlang an jedem Satz und jedem Wort gefeilt haben, ist jede Nuance des Leitbilds wichtig und bedeutend. Jedoch für alle anderen, die nicht am Entstehungsprozess beteiligt waren und die zum ersten Mal mit dem strategischen Manifest des Unternehmens in Kontakt kommen, bleibt nicht nur die Sprache abstrakt und unkonkret, sondern auch der Sinn.

Um dem »Fluch des Wissens« zu entgehen, rät Dan Heath daher zum Wechsel der Sprache – und zum Geschichtenerzählen:

»Often, leaders aren’t even aware that they’re speaking abstractly. When a CEO urges her team to ›unlock shareholder value‹, that challenges means something vivid to her. (...) Now, leaders can’t unlearn what they know. But they can thwart the Curse of Knowledge by ›translating‹ their strategies into concrete language. (...) Stories work particularly well in dodging the Curse of Knowledge, because they force us to use concrete language.«

Üben Sie sich also in einer klar, verständlichen Sprache und im Storytelling.

Mehr Tipps zum Thema Storytelling in Rede, Vortrag und Präsentation erhalten Sie in dem Buch, aus dem dieser Text stammt: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019. Oder besuchen Sie einen meiner Vorträge oder Webinare. Alle Termine unter: www.petrasammer.com/about-petra-sammer/upcoming-events/

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