5 Strukturprinzipien für Storyteller, mit denen Sie nicht gerechnet haben


Wenn Sie eine Rede strukturieren, wo fangen Sie an? Wie bauen Sie Argument für Argument auf? Und zwar so, dass Ihr Publikum Ihnen inhaltlich folgen kann, und doch nicht gelangweilt ist? Hier sind fünf Struktur- und Bauprinzipien guten Storytellings, die Sie vielleicht auf neue Ideen bringen:

Matroschka-Prinzip

Eine ungewöhnliche Variante, um ein verwöhntes, aufmerksamkeitsschwaches Publikum zu erreichen, ist das Matroschka-Prinzip. Ähnlich wie bei der russischen Puppe stecken in einer Rahmenhandlung viele weitere, immer kleinere Geschichten. Dabei werden unterschiedliche Handlungen und Erzählungen ineinander geschachtelt. 
Hans Rosling bedient sich dieses Prinzips in seinem Vortrag »Die magische Waschmaschine«. Er beginnt mit der Rahmenhandlung aus seinem Elternhaus und packt im Verlauf seiner Rede viele weitere Anekdoten dazu. Erst am Ende schließt er die Episode von der ersten Waschmaschine seiner Mutter ab und stülpt zum Abschluss symbolisch die letzte Matroschka über seinen gesamten Vortrag.

Kaleidoskop

Ähnlich variantenreich ist auch das Strukturmodell konvergierender Ideen, das Kaleidoskop-Prinzip. Hier werden nicht unterschiedliche Erzählungen miteinander verwoben, sondern konträre oder widerstrebende Ideen miteinander in Beziehung gebracht. Diese Technik erlaubt es, Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven und Standpunkten zu erzählen. Das Publikum bleibt interessiert, da es die immer gleiche Grundstory aus verschiedenen Blickwinkeln präsentiert bekommt, die jeweils neue Erkenntnisse zutage fördern. 



Rhetorische Überrumpelung

Klassische Muster wie Report, Erörterung oder Empfehlung (die ich in dem Blogbeitrag „Rauf auf die Achterbahn“ beschrieben habe) funktionieren leider immer seltener. Aber auch modernere Strukturen wie Sparkline, Matroschka- oder Kaleidoskop-Prinzip kommen immer öfter an ihre Grenzen. Manchmal muss man zu noch härteren Mitteln greifen, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu wecken und es bei Laune zu halten.

Manchmal muss man das Publikum auf eine falsche Fährte locken, gleich in medias res gehen und sich vielleicht sogar selbst zum Helden aufspielen:

Falsche Fährte

»The most basic way to get someone’s attention is this: Break a pattern.« – Dan Heath
Wenn Sie Ihrem Publikum von Anfang an eine erwartbare Geschichte erzählen, vielleicht sogar genau die Story, die das Publikum ohnehin hören will, dann aber dieses Muster durchbrechen und auf eine ganz andere Geschichte einschwenken, ist Ihnen die Aufmerksamkeit des Publikums gewiss.

J. K. Rowling, die Erfolgsautorin von Harry Potter, nutzte genau diese Technik 2008 in ihrer Abschlussrede in Harvard. Rowling beginnt ihre Rede, indem sie offen und ehrlich anspricht, wie nervös sie ist, vor 1.000 Harvard-Absolventen zu sprechen, und holt sich damit schnell erste Sympathiepunkte beim Publikum. Dann beginnt sie, wie zu erwarten war, über ihre Zeit an der Universität und die Erwartungen ihrer Eltern zu sprechen. Das Publikum kann davon ausgehen, dass sie im Folgenden über ihren überraschenden Erfolg als Schriftstellerin sprechen wird und was der Erfolg mit ihr als Person gemacht hat. Aber es kommt anders. J. K. Rowling reflektiert nicht über ihr bisheriges Leben, sondern sie konzentriert sich auf die Zeit, als sie ungefähr 18 Jahre alt war und zum ersten Mal das Gefühl hatte, im Leben zu versagen. Eine überraschende Wendung – nach einer falschen Fährte am Anfang. Und so passt auch das Seneca-Zitat, mit dem Rowling ihren Vortrag beendet: »As is a tale, so is life: not how long it is, but how good it is, is what matters.«

In medias res

Wenn Sie mutig sind, dann machen Sie es wie Zak Ebrahim und steigen direkt ein:

»On November 5th, 1990, a man named El-Sayyid Nosair walked into a hotel in Manhattan and assassinated Rabbi Meir Kahane, the leader of the Jewish Defense League. Nosair was initially found not guilty of the murder, but while serving time on lesser charges, he and other men began planning attacks on a dozen New York City landmarks, including tunnels, synagogues and the United Nations headquarters. Thankfully, those plans were foiled by an FBI informant. Sadly, the 1993 bombing of the World Trade Center was not. Nosair would eventually be convicted for his involvement in the plot. El-Sayyid Nosair is my father.«

Zak Ebrahim erzählt von der Beziehung zu seinem Vater, denn er ist der Sohn des Terroristen El Sayyid Nosair. Dabei hält er sich nicht lange mit Erklärungen auf, sondern springt sofort ins kalte Wasser, geht sofort »in medias res« und setzt sein Publikum schon mit den ersten Worten in Kenntnis der Szene. Ein Überraschungscoup, der gelingt, wenn ein Publikum von Anfang an aufmerksam ist und sofort mitgeht. Die Technik ist nicht für jede Geschichte und Präsentation geeignet, sie verspricht aber größtmögliche Aufmerksamkeit.

Immersion

Falsche Fährte und in medias res, der Sprung ins kalte Wasser, sind beides Storytelling-Prinzipien, die vor allem von Literatur und Film beeinflusst sind. Und so ist auch die Technik der Immersion eine ureigene Storytelling-Methode, die sich Redner und Präsentatoren am besten von Schriftstellern und Drehbuchautoren abschauen. Diese narrativen Kunstformen schaffen es immer wieder, Rezipienten in ihren Bann zu ziehen, sie abtauchen und sich von diesen vollkommen vereinnahmen zu lassen.

Immersion nennt sich das Prinzip, das Romanleser, Film- und Serienfans, aber auch Gamer sehr gut kennen. Raum und Zeit werden während der Rezeption vollkommen ausgeblendet, und die gesamte Konzentration des Rezipienten fokussiert sich voll auf die Geschichte.

Um diesen Effekt zu erzielen, ist eine Erzählwelt notwendig, die so ausführlich dargestellt ist, dass das Publikum in sie eintauchen kann. Und es braucht eine Hauptfigur, einen Helden, mit dem man sich als Zuhörer identifiziert. Der Mythologenforscher Joseph Campbell hat das Eintauchen, die Immersion, in eine Erzählwelt mithilfe der »Heldenreise« beschrieben und der US-amerikanische Publizist und Drehbuchautor Christopher Vogler hat daraus sogar einen Baukasten entwickelt, mit dem man eine »ideale« Story erarbeiten kann.

Dieses von Campbell und Vogler beschriebene Ordnungsprinzip eignet sich auch für einen Vortrag. Denn die Struktur mit ihren dreizehn Schritten bringt alle Informationen, die man einem Publikum bieten muss, in einer logischen, nachvollziehbaren Reihenfolge, ohne langweilig zu werden.

Beispiel gefällig? Dann hören Sie sich Richard Gutjahrs Geschichte über seine emotionale Reise zwischen zwei Attentaten - von Nizza bis zum Münchner Olympiazentrum und darüber hinaus - an. Lehrbuchhaft arbeitet er als Redner alle Stationen der klassischen Heldenreise ab und packt damit seine Zuhörer hoch emotional.

Sie wollen noch mehr Storytelling-Tipps, um Ihre nächste Rede zu verbessern? Dann lesen Sie weiter, denn dieser Text stammt aus dem Buch: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019.

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