pssst… wie geht´s, Herr Voland?
Eigentlich arbeiten wir beide in München. Aber kennengelernt habe ich Marc Voland, der den fantastischen Titel „Head of Story“ trägt, in Heidelberg. Auf der ersten „Beyond Storytelling“-Konferenz - 2016. Und wenn es einen Beweis braucht, dass Konferenzen der beste Ort sind, um Kontakte zu knüpfen und großartige Menschen kennenzulernen, dann ist das die perfekte Story dafür. Marc ist Kreativer und Storyteller. Der Name seiner Agentur „Storymaker“ ist Programm und ich wollte wissen, wo er die Ideen für Kunden-Stories findet.
Marc, Kreative sind derzeit ziemlich eingeschränkt. Ein Tag gleicht fast dem anderen. Kein Schwätzchen in der Kaffeeküche unter Kollegen, kein inspirierender Museumsbesuch. Keine Party. Kein spontaner Einfall auf dem Weg zur Arbeit. Dafür ist der Weg zwischen Schlafzimmer und Küchentisch einfach kurz. Wie arbeitest du derzeit? Wie suchst du nach Ideen? Was inspiriert dich?
Es mag vielleicht erstaunen, aber ich suche gar nicht gezielt. Man muss grundsätzlich offen und interessiert bleibt, dann kommen Impulse von alleine, dann füllt sich der eigene Wissensspeicher. Wenn der dann randvoll ist, kommen Ideen ganz von allein. Und sie kommen oft aus unerwarteten Ecken. Als Inspirationsquelle kann ich daher meiner derzeitigen Lieblingspodcast nennen: Dan Snow´s HistoryHit. Der Historiker Dan Snow erläutert unterhaltsam und informativ geschichtliche Ereignisse und zeigt, wie sehr unsere Geschichten doch von DER Geschichte beeinflusst sind. Ein Podcast, in dem man den Blick fürs große Ganze bekommt.
Oft werden Kreative nach ihren Tricks gefragt. Hast du eine Kreativtechnik, mit der du immer wieder Neues aus dem Hut zauberst?
Kreativität ist für mich keine Technik, es ist ein Prozess. Steve Jobs beschrieb dies mit „Connecting the dots“. Was wir in der Welt erfahren, lernen, aufgreifen, das sollten und müssen wir mit der Aufgabenstellung, die uns ein Kunde gibt, verknüpfen. Je mehr solche Verknüpfungen gelingen, umso besser. Klingt philosophisch, ist aber ganz praktisch anwendbar. Zum Beispiel beim Zeitunglesen. Eine Morgenroutine, die mir sehr wichtig ist. Denn jeden Artikel, den ich lesen, versuche ich intuitiv mit einem Kundenbriefing zu verbinden. Daraus ergeben sich oft unerwartet Kombinationen. Aber nicht alles, was da zustande kommt, ist auch sinnvoll. So ist das im Kreativprozess. Daher ist entscheidend, dass man sich ein Raster zurechtlegt, anhand dessen man Ideen prüft. Das können die journalistischen W-Fragen sein, die aristotelischen Topoi oder die Nachrichtenfaktoren, mit denen sich eine Idee abklopfen lässt, oder oder, oder. Entscheidend ist, dass man sich nicht wahllos auf jede Verknüpfung stürzt, sondern sich die relevanten und passenden Ideen herauspickt.
„Connecting the dots“ ist ein schönes Stichwort für eine deiner Kernkompetenzen: das Storytelling. Der Begriff wird oft und gerne verwendet. Irgendwie ist gar nicht mehr klar, was damit gemeint ist. Was ist deine Definition von „Storytelling“?
Zwei Aspekte sind wichtig, um Storytelling zu definieren und von anderen Kommunikationsarten abzugrenzen: Es ist exemplarisches Erzählen - und es geht in Geschichten immer um eine Veränderung.
Exemplarisches Erzählen bedeutet, dass es sich um eine Beispielerzählung handelt, die aus einer ganz bestimmten durchaus subjektiven - Perspektive erzählt wird. In der Regel gibt es eine Hauptfigur, die vor einem Problem steht, das gelöst werden muss. Diese Ausgangsposition kann aus ganz unterschiedlichen Positionen erzählt werden. Dieser Perspektivwechsel ist ein Schatz für die Unternehmens- und Markenkommunikation - denn es ergeben sich damit immer wieder neue, kreative Möglichkeiten.
Und dann ist da die Transformation. Im Zentrum jeder guten Geschichte steht eine Veränderung. Die Hauptfigur ist am Anfang anders als am Ende. Karl Popper sagt „Alles Leben ist Problemlösen“. Und so sehe ich jede Geschichte als ein Beispiel für die Problemlösungen, die wir in dieser Welt angehen. Wichtig für Unternehmenskommunikatoren und PR-Profis ist damit aber, dass sie dem Konflikt und dem Problem Raum geben müssen. Denn ohne Konflikt ist eine Lösung einfach nur langweilig. Im Zentrum einer Erzählung steht daher der packende Zusammenhang zwischen Problem und Lösung.
Seit 40.000 Jahren erzählen sich Menschen Geschichten. Doch scheint es, dass Marketing und PR diese Technik erst jetzt entdeckt haben. Ist das alles nur Hype oder siehst du eine Zukunft für Storytelling in Unternehmen und für Marken?
Ich sehe das sehr positiv. Denn bietet Storytelling doch für beide – für Unternehmen und für das Publikum, die Zielgruppe - so viele Vorteile. Stories sind „menschengerechte Kommunikation“. Mit Geschichten lassen sich Informationen wesentlich besser und schneller darstellen und aufnehmen. Und das gilt nicht nur für die Unternehmenskommunikation. Auch in vielen anderen Bereich. Beispiel Schule. Mit den Kids zuhause im Home-Schooling, sehe ich erstmals bewusst, wie die Schule heute noch Wissen vermittelt. Meiner Meinung nach ist hier ein riesiges Potenzial für Storytelling. Schulwissen wird zum guten Teil immer noch sehr faktisch - vermittelt. Das ist extrem anstrengend. Viel besser und angenehmer könnte man hier Prinzipien des Storytelling anwenden. Storytelling bietet ein Potenzial das jetzt langsam in vielen Unternehmen verstanden wird. Hoffentlich kommt das in der Schule auch an.
Natürlich gibt es aber auch eine Schattenseite des Erfolges. Die Gefahr besteht, dass wir der vielen Geschichten überdrüssig werden – wenn alle es machen. Aber noch ist es nicht soweit. Klar, alle großen Brands sind mittlerweile geübt im emotionalen Storytelling, aber für viele Mittelständler und auch B2B-Unternehmen ist diese Technik noch neu. Gerade im B2B-Bereich sehe ich großes Interesse. Hier gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten – zum Beispiel bei Anwenderberichten und „User Cases“. Ein großartiges Feld für Storytelling.
Langfristig hat Storytelling einen wichtigen und festen Platz in der Kommunikationsarbeit für jedes Unternehmen. Nicht an jeder Stelle – in der Customer Journey ist selbstverständlich Platz für rationale Kommunikation, aber am Ende kommt es eben auf den richtigen Mix an.
MARC OLIVER VOLAND ist Head of Story bei der Kommunikationsagentur Storymaker. Er verantwortet die strategische und kreative Entwicklung der Core-Story vieler Storymaker-Kunden, die von den Agenturteams dann an unterschiedlichen Touchpoints erzählt und inszeniert wird. Dass Storys wirken, weiß Marc seit seiner ersten cineastischen Begegnung mit Luke Skywalker und Darth Vader. Wie sie funktionieren, weiß er aus seinem Studium der Rhetorik. Und wie man sie umsetzt, vermittelt er heute in Kunden-Workshops, als Konferenz-Speaker und Gastdozent. Kontakt: m.voland@storymaker.de