Definieren Sie "Geschichte"
»Stories are a particular type of human communication designed to persuade an audience of a storyteller’s worldview. The storyteller does this by placing characters, real or fictional, onto a stage and showing what happens to these characters over a period of time. Each character pursues some type of goal in accordance with his or her values, facing difficulty along the way and either succeeds or fails according to the storyteller’s view of how the world works.« – Jonah Sachs
Diese Definition stammt von Jonah Sachs, einem Social-Media-Experten, der durch zahlreiche Viral-Videos für NGOs bekannt wurde und in seinem Buch »Winning the Story Wars« vor der manipulativen Wirkung von Geschichten warnt. Denn ja, jede Geschichte vertritt eine Meinung und wird zum Zweck der Überzeugung, der Persuasion, erzählt.
Innerhalb einer Rede oder Präsentation kann dieses Persuasionsmittel in drei verschiedenen Formen auftreten: als Anekdote, als Parabel, als Metastory.
Anekdote – das eingeschobene Nesthäkchen
Eine Anekdote ist das Nesthäkchen unter den Geschichten. Es ist ein kleines Format, eine Episode, ein Einschub. Anekdoten haben viel Ähnlichkeit mit dem Witz, denn sie sind kurz und schnell erzählt – oft mit einer überraschenden Wendung am Ende. Gern werden Anekdoten aus der Ich-Perspektive erzählt. Sie beginnen mit Worten wie »Neulich habe ich ...«, »Als ich zum ersten Mal ...«, »Sie kennen das ...« und berichten in wenigen Sätzen über außerordentliche Erfahrungen und Ereignisse – meist aus dem direkten, persönlichen Umfeld. Anekdoten eignen sich hervorragend als Aufmacher am Anfang einer Rede, als Stimmungsmacher und Wachrüttler innerhalb einer Präsentation oder aber auch als merkfähiger Schlusspunkt.Parabel – Schnittmenge aus Erzähltem und Gemeintem
Im Vergleich zur Anekdote ist das zweite Format, das für Storytelling in Rede und Präsentation entscheidend ist, schon ein größeres Kaliber: 360 vor Christus studierte der griechische Mathematiker Menaichmos an Platos Akademie und entdeckte dort eine geometrische Figur, die nicht nur ästhetisch außergewöhnlich, sondern die auch mathematisch bemerkenswert war. Apollonios von Perge (etwa 262–190 v. Chr.) gab der Linie mit dem Scheitelpunkt zwischen zwei gleichschenkligen Enden den Namen »Parabel«, was so viel heißt wie Vergleichung, Gleichheit oder Gleichnis. Und genau diesem Umstand verdankt auch die literarische Parabel ihren Namen. Sie ist eine lehrhafte Erzählung, die zur Veranschaulichung eines Sachverhalts dient.Anstatt eine Erkenntnis logisch zu erläutern, nutzt die Parabel bildhafte Rede. Ähnlich der Allegorie, die ebenso mit Bildern arbeitet, wird ein Thema umschrieben und auf eine Erzählebene übertragen. Der Zuhörer wird durch den »Umweg« der Parabel zum Nachdenken angeregt, denn er soll sich den Sachverhalt anhand einer Beispielerzählung erschließen. Die Arbeitsweise des rhetorischen Stilmittels Parabel lässt sich schön mithilfe der mathematischen Parabel veranschaulichen: Zwei gleich lange Linien laufen auf einen Scheitelpunkt zu, stellvertretend für die Bildebene und die Sachebene, die im »Tertium Comparationis«, dem Schnittpunkt, zusammentreffen, dem Punkt, der das Erzählte mit dem Gemeinten verbindet. Hier soll der Zuhörer die Geschichte mit dem Gesamtthema in Verbindung bringen, woraus sich ihm die übergeordnete Bedeutung der Rede erschließt. (…)
Oft sind Beispielerzählungen aus ganz anderen Bereichen interessanter und effektiver, denn sie überraschen den Zuhörer und laden ein, eine neue Erzählwelt zu entdecken. Parabeln steigern dadurch die Aufmerksamkeit und öffnen neue Denkhorizonte. (…)
Metastory – Struktur und Leitgedanke
Anekdote und Parabel sind rhetorische Stilmittel und können, passend zu Struktur und Gliederung einer Präsentation, an unterschiedlichen Stellen eingebaut werden – egal ob am Anfang, im Mittelteil oder am Ende. Diese kleinen Geschichten lockern einen Vortrag auf und erhöhen dessen Verständlichkeit und Merkfähigkeit.Letztendlich kann aber auch ein gesamter Vortrag als »Geschichte« definiert werden. Gemeint sind dann – im Unterschied zu Anekdote und Parabel – die Struktur und der Leitgedanke eines Vortrags. Jede Präsentation folgt einer definierten Dramaturgie, die im besten Fall das Publikum von Anfang an mitreißt, immer wieder begeistert und zum Schluss mit einem packenden Finale und Schlusspunkt entlässt. Die Ordnung, nach der ein Vortrag strukturiert ist, bezeichnet man als Metastory. Ein Beispiel hierfür ist eine Rahmenhandlung, die eine Präsentation umschließt. Der Redner startet hierbei seinen Vortrag mit einer Geschichte, erläutert dann einige Fakten, um am Ende wieder an die Anfangsgeschichte anzuknüpfen und diese abzuschließen. Hans Rosling nutzt in seinem Vortrag »The Magic Washing Machine« so eine Metastory. Er beginnt mit der Beschreibung der ersten Waschmaschine in seinem Elternhaus in Schweden. Dann verlässt er diese Erzählebene und präsentiert Statistiken und Fakten, die sein Vortragsthema »Technologieskepsis und Innovationskraft« belegen, um am Ende wieder zur Rahmenerzählung zurückzukehren und zu demonstrieren, was die Waschmaschine tatsächlich für ihn, den kleinen Hans, und seine Mutter bedeutete.
Aber nicht nur die Struktur einer Rede wird von der Metastory definiert, sondern auch das »Narrativ«, der tragende Leitgedanke eines Vortrags.
Narrative sind althergebrachte Erzählungen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, die in einer Gesellschaft übergeordnete Werte vermitteln und als Referenzpunkte dienen. Narrative helfen uns, die Ereignisse um uns herum einzuordnen, zu kategorisieren und zu verstehen. Gleichzeitig bergen sie jedoch die Gefahr, vorschnell zu urteilen, unbewusst zu stigmatisieren und undifferenziert zu denken.
Eines der bekanntesten Narrative ist »Mensch versus Maschine«. Bereits in der griechischen Mythologie findet sich dieses Erzählmuster als Prometheus den Menschen gegen den Willen Zeus künstlich erschafft. In der jüdischen Ur-Geschichte vom »Golem«, die auf das frühe Mittelalter datiert wird, sind es dann Menschen, die versuchen, ein menschenähnliches Wesen aus Lehm zu erschaffen.
"Man versus Machine"
Dieses Narrativ taucht über Jahrhunderte hinweg immer und immer wieder auf. In Mary Shelleys Roman Frankenstein 1818 und in »Metropolis «, dem erfolgreichsten deutschen Stummfilm von Fritz Lang, 1927. Brigitte Helm spielt in diesem Film die unschuldige Maria und ihr maschinelles Ebenbild, das einen Krieg zwischen Menschen und Maschinen anzettelt. Auch Stanley Kubrick greift in »2001 – Odyssee im Weltraum« auf das Narrativ „Mensch versus Maschine“ zurück, denn der Bordcomputer HAL spricht zwar mit einer menschlichen Stimme und wird als Teil der Crew verstanden, wendet sich letztendlich aber gegen seine Schöpfer und schaltet die Lebenserhaltungssysteme ab.
28 Jahre später, 1984, sind die Menschen in » Terminator«, dem Science-Fiction-Klassiker von James Cameron, bereits in der Unterzahl und stehen kurz vor der Vernichtung durch die Maschinen. Auch hier gelingt es erst im letzten Moment, die Killermaschine zu vernichten. In »I, Robot«, einem Sci-Fi-Film aus dem Jahr 2004, der auf einen Roman von Isaac Asimov aus dem Jahr 1950 zurückgeht, denkt die Menschheit noch, dass Maschinen beherrsch- und lenkbar seien. Doch auch diese Roboter wenden sich mörderisch gegen die Menschen. Polizist Del Spooner, dargestellt von Will Smith, ist der Einzige, der der Technik misstraut und recht behalten soll. 2015 geht Regisseur Alex Garland in seinem Film »Ex Machina« einen Schritt weiter und vermittelt dem Kinopublikum glaubhaft, dass man sich in eine künstliche Intelligenz und einen Roboter verlieben kann. (…) Doch wieder wird der Mensch von den Maschinen betrogen.
Was in unzähligen Geschichten, Romanen und Filmen über Jahrhunderte hinweg immer und immer wieder erzählt wird, setzt sich in der gesellschaftspolitischen und auch wirtschaftlichen Diskussion fort, denn die kontroverse Debatte über die Digitalisierung der modernen Lebens- und Arbeitswelt ist massiv von diesem Narrativ beeinflusst. Kaum ein Redner, der das Thema „Digitalisierung“ aufgreift, kommt um diese Erzählmuster und seine tiefsitzende Bedeutung herum. Bewusst oder unbewusst bedient er oder sie sich eines Referenzsystems, das schon millionenfach erzählt wurde.
Redner müssen sich dieser Metastories bewusst sein und in der Vorbereitung ihres Vortrags nicht nur auf Dramaturgie und Struktur achten, auf die Anekdoten und Parabeln, die man an der einen oder anderen Stelle einfließen lassen kann, sondern sie sollten sich vor allem gewahr werden, auf welches Narrativ ihr Thema und ihr Vortrag verweist, denn dieses wirkt wie eine Echokammer und nimmt massiven Einfluss auf die Rede.
Dieser Text stammt aus dem Buch: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019. Lesen Sie dort gerne weiter oder kommen Sie in einen meiner Workshops. Zum Beispiel in das Webinar „Storytelling für Rede und Präsentation“ – am 15. September online. Alle Infos dazu finden Sie auf der Webseite der news aktuell Academy. Ich freue mich auf Sie.
Photo by Rock'n Roll Monkey on Unsplash
28 Jahre später, 1984, sind die Menschen in » Terminator«, dem Science-Fiction-Klassiker von James Cameron, bereits in der Unterzahl und stehen kurz vor der Vernichtung durch die Maschinen. Auch hier gelingt es erst im letzten Moment, die Killermaschine zu vernichten. In »I, Robot«, einem Sci-Fi-Film aus dem Jahr 2004, der auf einen Roman von Isaac Asimov aus dem Jahr 1950 zurückgeht, denkt die Menschheit noch, dass Maschinen beherrsch- und lenkbar seien. Doch auch diese Roboter wenden sich mörderisch gegen die Menschen. Polizist Del Spooner, dargestellt von Will Smith, ist der Einzige, der der Technik misstraut und recht behalten soll. 2015 geht Regisseur Alex Garland in seinem Film »Ex Machina« einen Schritt weiter und vermittelt dem Kinopublikum glaubhaft, dass man sich in eine künstliche Intelligenz und einen Roboter verlieben kann. (…) Doch wieder wird der Mensch von den Maschinen betrogen.
Was in unzähligen Geschichten, Romanen und Filmen über Jahrhunderte hinweg immer und immer wieder erzählt wird, setzt sich in der gesellschaftspolitischen und auch wirtschaftlichen Diskussion fort, denn die kontroverse Debatte über die Digitalisierung der modernen Lebens- und Arbeitswelt ist massiv von diesem Narrativ beeinflusst. Kaum ein Redner, der das Thema „Digitalisierung“ aufgreift, kommt um diese Erzählmuster und seine tiefsitzende Bedeutung herum. Bewusst oder unbewusst bedient er oder sie sich eines Referenzsystems, das schon millionenfach erzählt wurde.
Redner müssen sich dieser Metastories bewusst sein und in der Vorbereitung ihres Vortrags nicht nur auf Dramaturgie und Struktur achten, auf die Anekdoten und Parabeln, die man an der einen oder anderen Stelle einfließen lassen kann, sondern sie sollten sich vor allem gewahr werden, auf welches Narrativ ihr Thema und ihr Vortrag verweist, denn dieses wirkt wie eine Echokammer und nimmt massiven Einfluss auf die Rede.
Dieser Text stammt aus dem Buch: What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen, O´Reilly, 2019. Lesen Sie dort gerne weiter oder kommen Sie in einen meiner Workshops. Zum Beispiel in das Webinar „Storytelling für Rede und Präsentation“ – am 15. September online. Alle Infos dazu finden Sie auf der Webseite der news aktuell Academy. Ich freue mich auf Sie.
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