IDEEN-STORIES - DIE POPKULTUR DER ZUKUNFT
Bereits im Sommer 2014 machten sich die beiden Autorinnen
Anja Dilk und Heike Littiger aus der „Mitte München“ unter dem Titel „Gedankentrommler“
in der Zeitschrift GDI Impuls auf die Suche nach Geschichten, die Wissenschaftlern zum
Erfolg führen. Ja richtig gehört Geschichten – und nicht etwa Studienergebnisse. Storytelling ist in der Welt der Wissenschaft bereits seit
einigen Jahren populär und heute – zwei Jahre später – ein ebenso
überstrapaziertes Buzzword wie im Marketing. Doch was genau verstehen Wissenschaftler
eigentlich unter „Storytelling“? Geht es hier um narrative Strukturen mit einem
Set an handelnden Protagonisten, Helden und Antihelden? Geht es um Storyplots
mit aufsteigenden und abfallenden Handlungselementen und einer Storyline, die
der Geschichte Sinn verleiht?
Was auf den ersten Blick märchenhaft, aber irrelevant für
seriöse Wissenschaftskommunikation aussieht, erweist sich auf den zweiten Blick
als gar nicht so unerheblich. So finden sich die Elemente einer guten
Geschichte tatsächlich auch hinter einem wissenschaftlichen Durchbruch. Da ist
der Held, der Hauptdarsteller … der Forscher, Wissenschaftler, der zum Teil Jahrzehnte
lang hart daran gearbeitet hat, ein Problem zu lösen. Die lange Suche kann
durchaus als ansteigende Handlung gewertet werden. Ein „Inciting Incident“- ein
Funke der Erleuchtung, oder ein Zufallstreffer, oder glückliche Fügung – führen
schließlich zum Höhepunkt: zur Problemlösung.
Forschung als Heldenreise
Der Mythenforscher Joseph Campbell behauptet, dass wir
weltweit immer und immer wieder die gleiche Geschichte erzählen – ganz egal in
welchem Winkel der Erde. Immer und immer wieder erzählen wir uns von der Reise
des Helden, der auszieht, Abenteuer und Prüfungen besteht und dann verändert
zurückkehrt – und dadurch seine alte Welt verändert. Der Held hilft uns, die
Welt mit anderen Augen zu sehen. Und so ist auch jede herausragende wissenschaftliche
Erkenntnis ein neuer Blickwinkel auf die Welt. Erkenntnisse, mit denen sich neue Optionen
ergeben und mit der man die Welt verändern kann.
Wissenschaftsgeschichten beinhaltet also jede Menge der „klassischen
Elemente“ einer Narration. Wenn denn der Wissenschaftler die Ergebnisse seiner
Arbeit auch spannend erzählen könnten. Und genau hier setzt der Artikel von
Anja Dilk und Heike Littger ein. Sie begleiten Menschen, die Wissenschaftlern
helfen, ihre Geschichte spannend und verständlich zu erzählen.
Wettbewerb um Aufmerksamkeit
Wissenschaftler – ganz egal von welchem Fach – stehen weltweit
in Konkurrenz. In Konkurrenz um Aufmerksamkeit, um Anerkennung, um
Fördermittel. Und um diese Aufmerksamkeit zu bekommen, ist jedes Mittel recht.
Das Mittel der „Geschichte“ scheint dabei ein immer beliebteres zu werden. Die
Diskussion und Kritik, dass sich mancher Professor mehr um seine Publikationen,
Fachbücher und wissenschaftlichen Artikel kümmere, als um die eigentliche
Forschung ist uralt. Wieso also die Aufregung um „Storytelling“?
Die Kritik ähnelt der Kritik und der Skepsis, der sich narrativer
Journalismus stellen muss. Journalisten, die sich in ihrer Arbeit ein
Einzelschicksal vornehmen und exemplarisch anhand eines Beispiels erzählen, um
damit plakativ und anschaulich das Gesamtbild zu erklären, gelten als voreingenommen,
subjektiv, nicht neutral. Die emotionale Darstellung, die dem narrativen
Erzählen inne wohnt, gilt als unseriös und manipulativ. Oder gar noch
schlimmer: als trivialisierend. Und in genau dem gleichen Duktus werden auch
Wissenschafts-Stories kritisch beäugt.
Dabei würden uns diese Geschichten so
sehr helfen, Wissenschaft greifbar, transparent und attraktiv zu machen. Und
auch wenn man die Kritik innerhalb der wissenschaftlichen Welt nachvollziehen
kann, die staunend und irritiert zur Kenntnis nimmt, welchen Zulauf pseudowissenschaftliche
Events wie zum Beispiel die TED-Konferenz haben, so sollte ihnen dies ab er
auch zeigen, dass ein immenser Hunger auf Wissenschaftsstories besteht und dass
ein massives Verlangen nach intensiveren Einblicken in die faszinierende Welt
der Wissenschaft vorhanden ist. Der Pharmakonzern Pfizer hat dies erkannt. Mit Geschichten von und über die eigenen Mitarbeiter, die im Konzern forschen – wie etwa
Bob Abraham – und einer parallelen Story über den Patienten Matt Hiznay –
verschränkt Pfizer zwei Stories auf ideale Weise – mit Happy End. Natürlich ist
dies ein Image-Video. Natürlich ist es eine Marketinggeschichte. Aber eben auch
eine Wissenschaftsstory, die uns ein klein wenig eintauchen lässt in die Welt
der Wissenschaft.
Dilk und Littger stellen am Ende ihres Artikels die Frage,
ob Ideen-Stories die Popkultur der Zukunft werden? Ich denke, die Frage kann
man mit einem klaren Ja beantworten: wir wollen mehr von den Geschichten hinter
den Ideen hören, die die Welt verändern. Und wir wollen von den Helden und
ihren Herausforderungen hören, die sie in die Welt gesetzt haben.
Und wie das aussehen kann, das konnte man schon 2013 sehen, als die Arizona State University einige der talentiertesten Science Storyteller auf die Bühne holte und sie gegeneinander antreten ließ: "The Great Debate: The Storytelling of Science" ist eine Podiumsdiskussion, auf der sich Wissenschaftler und Autoren gegenseitig die besten Stories erzählen - ein Popkonzert der Ideen.