DIE GRUPPE IST KLÜGER ALS DER EINZELNE? STIMMT GAR NICHT.
Das sitzen wir also zusammen – 10 Kreative – und wir wollen
zusammen Ideen brainstormen. Soweit die Idee. Doch eigentlich wären wir so viel
effizienter, wenn wir uns allein auf die Suche machen und später erst unsere
Ideen austauschen und gegenseitig verbessern. Aber nein, die Mär vom
Brainstorming will es, dass wir zusammen starten. Ist irgendwie auch besser für
die Seele, schließlich kann man dann gleich von Anfang an die Probleme auf die
Schultern der ganzen Brainstormingruppe packen – und fühlt sich selbst gleich
weniger unter Druck.
Die Gruppe irrt sich
Was wir dabei ignorieren: die Gruppe irrt sich häufig – das
behaupten Cass R. Sunstein, Professor an der Harvard Law School und Reid Hastie, Professor an University of Chicago. Die beiden Wissenschaftler machen
zwei Gründe dafür verantwortlich, dass die Gruppe oft dümmer ist als der
Einzelne. Nun ja, sagen wir: weniger kreativ.
Der erste Grund ist: Wir deuten Signale falsch. Wenn
Menschen zusammenkommen, dann geben Sie sich gegenseitig ziemlich viele
Signale. Bewusst und unbewusst. Nicht nur der Mund spricht ja, sondern auch die
Tonlage der Stimme, die Augen, die Stirn, der gesamte Körper. Und genau hier
kommt es zu den meisten Missverständnissen. Wir antizipieren Dinge in diese
Signale, die der Sender vielleicht gar nicht intendiert hat. Und schon ist die
Fehlkommunikation perfekt und die Idee bleibt im Keim stecken. Oder kriecht gar
gleich wieder in den Keim zurück.
Der zweite Grund ist laut Sunstein und Hastie der
Reputationsdruck. Wir wollen anerkannt werden. Gott, wir wollen uns bloß nicht
blamieren. Daher halten wir mit unserer tatsächlichen Meinung hinter dem Berg.
Oder wir beschreiben unsere Idee in Worten, die wir eigentlich sonst gar nicht
verwenden. Oder wir drehen unsere Meinung mit dem sprichwörtlichen Wind und
entlang der Meinung der Gruppe. Auf jeden Fall wird es mit der Gruppe
kompliziert.
Die falsche Interpretation von Signalen und der Wunsch,
anerkannt zu werden, wirken sich verheerend auf das Ergebnis eines
Brainstormings aus:
Eine Gruppe vermeidet es oft, Irrtümer und
Fehleinschätzungen aus Höflichkeit anzusprechen oder gar zu korrigieren. Ganz
im Gegenteil, manchmal verstärken sich diese Irrtümer durch eine Gruppe sogar
noch. Oft folgt die Gruppe auch einfach denjenigen, die als Erste
etwas gesagt haben. Man ist erleichtert, dass eine Meinung im Raum steht, folgt
dieser ohne seine eigene Meinung äußern zu müssen. Und schon ist man in der
„First-Idea-Falle“, der viele Brainstormings zum Opfer fallen.
Und oft kann sich eine Gruppe nur auf Altbekanntes einigen.
Das ist sicheres Terrain. Hierzu kann jeder eine „sichere“ Meinung äußern und
gerne hört man Gruppenmitgliedern zu, die Informationen verbreiten, die allen
gekannt sind.
Keine Brainstormings mehr?
Heißt das das Ende von Brainstormings? Nun ja, zumindest
sollte man mal versuchen, was passiert, wenn man zunächst getrennt voneinander
arbeitet. Und kommt erst später zum Meinungsaustausch zusammen. Oder aber man
berücksichtigt einige Ratschläge von Sunstein und Hastie:
- Bringen Sie den Anführer zum Schweigen
- „Primen“ Sie Ihr Team für kritisches Denken
- Belohnen Sie Gruppenerfolge
- Weisen Sie individuelle Rollen zu
- Ernennen Sie einen „Advocatus Diaboli“
- Schüren Sie Wettbewerb
Auf jeden Fall: Schenken Sie den Signale und der
Gruppendynamik in Ihrem nächsten Brainstorming wesentlich mehr Beachtung. Mehr zum Thema im Harvard Business Manager Februar 2015 .
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