Glossar der Neuen Kreativität

 

Wie sieht Kreativität in Zeiten von KI aus? Dieses Glossar soll helfen, den Überblick nicht zu verlieren - vor allem aber, um Denkanstöße zu geben:

Enshittification  (Wort des Jahres 2023 in den USA) - Was als Fortschritt beginnt, endet nicht selten im Gegenteil davon. „Enshittification“ – ein Wort so hässlich wie das, was es beschreibt – steht für den Verfall digitaler Plattformen. Erst kommt das Versprechen: bessere Dienste, mehr Zugang, Demokratisierung durch Technologie! Doch schnell zeigt sich: Der wahre Kunde sitzt nicht vor dem Bildschirm, sondern hinter der Bilanz. Was als zweiseitiger Markt gedacht war – Anbieter und Nutzer auf Augenhöhe – verkommt zur einseitigen Ausbeutung. Erst wird die Nutzererfahrung geopfert, dann die der Geschäftspartner. Übrig bleibt eine Plattform, die nur noch einem dient: der Rendite. Ein altes  Spiel in neuer Verpackung – Fortschritt, der sich selbst frisst.

Brain Rot (Deutsch: Denkfäule) - ein Begriff, der klingt wie eine Diagnose aus dem postdigitalen Wartezimmer. Gemeint ist die geistige Erosion durch ständige Berieselung mit belanglosen Inhalten. Kurze Clips, schrille Reize, endlose Scrollbewegungen: Was als Unterhaltung beginnt, endet in Unkonzentriertheit, Denkfaulheit – und einem schleichenden Desinteresse an allem, was nicht sofort kickt. Komplexität wird ersetzt durch Slang, Reflexion durch Reaktion. Der Mensch als passives Wesen im Datenstrom – jederzeit informiert, aber kaum noch fähig, Information in Wissen zu verwandeln. 

AI Slob (Deutsch: KI Schlamm) - Willkommen im Zeitalter des maschinell erzeugten Mittelmaßes. „AI Slop“ meint den "intellektuellen" Brei, der uns in digitalen Räumen zunehmend serviert wird. Inhalte, produziert von künstlicher Intelligenz, die keinen Zweck verfolgen, außer der schieren Vervielfältigung.  AI-Slop-Content ist nicht falsch - schlimmer noch: er ist beliebig. Der Philosoph Jonathan Gilmore sieht darin den „leicht verdaulichen Realismus“, der keine Fragen stellt, sondern nur bestätigt, was ohnehin schon da ist – oder da sein soll. Das Problem ist nicht die Maschine. Das Problem ist, dass wir vergessen haben, warum wir schreiben, gestalten, denken. AI Slop entsteht dort, wo Geschwindigkeit für Fortschritt gehalten wird und Quantität für Relevanz. Der Müll der Maschinen ist selten das Ergebnis ihrer Programmierung – sondern Ausdruck unserer Haltung zur Welt.

Sadfishing - erstmals tauchte der Begriff 2019 in einem Essay der Journalistin Rebecca Reid auf, nachdem Kendall Jenner bitterlich weinend auf Social-Media zu sehen war und beichtete, dass sie als junges Mädchen wegen ihrer Akne immerzu geweint habe. Einen Tag später präsentierte sie eine passende Hautcreme. Sadfishing bezeichnet das öffentliche Zurschaustellen von emotionalem Schmerz, oft übertrieben, mit dem Ziel, Aufmerksamkeit oder Mitleid zu erzeugen. Was früher Tagebuch war, ist heute Content. Doch statt echte Not zu teilen, wird Kalkül gemacht. Die ständige Dramatisierung im Netz und der Vorwurf des Sadfishings trifft daher leider auch jene, die wirklich Hilfe brauchen. 

Workation - ob das dem Arbeitsverständnis des Bundeskanzlers Friedrich Merz entspricht? Aber Arbeit ist längst kein Ort mehr. Wer heute noch vom Büro als Zentrum der Leistung spricht, denkt in gestrigen Strukturen. Im 21. Jahrhundert wandert der Arbeitsplatz – auf Außeneinsätze, ins Homeoffice oder gleich an den Strand. Die „Workation“ verspricht: Urlaub und Arbeit zugleich. Doch Freiheit hat ihren Preis. Wer arbeitet, wo andere entspannen, braucht mehr als nur WLAN – nämlich Selbstorganisation, Disziplin und ein klares Verständnis von Verantwortung. Eine Workation ist kein All-Inclusive-Angebot, sondern ein Stresstest für die Selbstbestimmung im Job. Und nicht zu verwechseln mit Staycation. Dies ist ein Trend der Tourismusindustrie und bezeichnet das Gegenteil - nämlich den Urlaub zu Hause zu genießen. (Andere Tourismustrends 2025: Coolcation - der Urlaub in kühleren Regionen, Sleepcation - Urlaube, bei denen Schlafen im Fokus steht, Momcation - der entspannte Urlaub für die Mama. Das männliche Pendant dazu ist Brocation. Auch Petcation mit dem eigenen Hund kann man buchen und wer es ruhiger mag, für den gibt es die Quietcation.)

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