pssst... Wie geht´s, Herr Adda?


Wie geht es Kreativen und Storytellern im Lockdown? Ich hab da mal nachgefragt. Heute bei Lukas Adda, Berater für digitale Kommunikation und Autor. Besser bekannt als „The Digital Guide“.

Eigentlich sollte Lukas gerade an einem Strand in Portugal sitzen. Adda kann man zu den glücklichen, digitalen Nomaden zählen, die immer da arbeiten, wo es schön ist. Und das ist für Lukas Alentejo, südlich von Lissabon. Stattdessen sitzt er aber in seinem (Home)Office in Hamburg und überlegt, ob er an der Lichtsituation seines Arbeitsplatzes doch noch etwas ändern sollte und wie lange das alles noch so weitergeht. Offline wie online.

Durch ihn hab ich das Internet und seine kreativen Möglichkeiten kennengelernt. Und gemeinsam haben wir tatsächlich einen Kreativpreis für die beste Online-PR Deutschlands gewonnen. Für die erste (und einzige) Flirt-Beratung in SecondLife. Damals. Goldene Zeiten. Aufbruchstimmung. Second Life gibt es noch, aber keiner spricht mehr darüber. Und Lukas Adda ist längst weitergezogen in andere digitale Welten – als Experte, Kreativer und Storyteller für Facebook, LinkedIn, Twitter & Co.

Hallo Luke. Kreative sind derzeit ziemlich eingeschränkt. Ein Tag gleicht fast dem anderen. Kein Schwätzchen mit dem Barista im Café ums Eck, kein Reisen, kein Bier am Abend mit Freunden. Kein spontaner Einfall auf dem Weg zur Arbeit. Inspiration und Stimulanz sind weg? Wie arbeitest du derzeit? Wie suchst du nach Ideen?

Mir fehlen Museen. Nicht nur die Kunst im Allgemeinen oder einzelne Künstler. Was mir fehlt, ist das Flanieren. Das ziellose „Sich treiben lassen“, das Wandeln in einer Ausstellung - von Saal zu Saal. Dabei sind es gar nicht die Kunstwerke, die ich vermisse, sondern die Menschen. Ich vermisse es, Menschen zu beobachten und ihnen zuzusehen, wie sie wiederum etwas betrachten. Hätte man mich gefragt, ich hätte immer gesagt, Kunst inspiriert mich. Tatsächlich sind es aber Menschen.

Ansonsten ist mein Arbeitsalltag ziemlich unverändert. Meine kleine Büro-WG funktioniert und digitale Kommunikation boomt. Noch nie habe ich so viel gearbeitet, wie jetzt. Es scheint, dass alle, die bisher digitale Kommunikation nicht ernst nahmen, jetzt aufholen wollen, was sie vor Corona versäumt haben.

Und irgendwie habe ich einen Arbeitsrhythmus gefunden. Aber es fehlt mir das „Streunen“. Obwohl – das muss ich zugeben - ich Ersatz gefunden habe: TikTok. Mit Staunen und einer erschreckenden Faszination swipe ich mich mit Vorliebe durch das Leben via TikTok Live.

Bisher dachte ich, dass mir in punkto digitaler Kommunikation nichts fremd ist, doch selbst für mich ist es unfassbar, wie bunt und krass die Welt auf TikTok ist. Welchen Typen man dort begegnet und wie ungefiltert diese ihr Publikum in ihr Leben und ihre Bude hineinschauen lassen.

TikTok ist wie ein riesiges Gebäude, mit unzählbaren Fenstern und Türen, die durch ein einfaches Wischen kurz aufgehen. Wer Lust hat, guckt rein, wen es langweilt, swipt weiter. Und immer wieder tun sich neue Lebenswelten und Erzählräume auf. Als würde man durch ein unendliches Museum spazieren. So lange die realen Museen noch zu sind, werde ich wohl zum Heavy-User in TikTok und stalke mich weiterhin durch diese unglaubliche Welt.

Hast du noch andere Inspirationsquellen auf Lager? Oder Kreativ-Tricks und Techniken, mit denen du immer wieder Ideen aus dem Hut zauberst?

Es mag vielleicht erschrecken, aber für mich steckt in „trockenen Technikthemen“ extrem viel Kreativpotenzial. Beispiel? Der Facebook Ad Manager. Ich liebe es, hier in die Details abzutauchen. Je mehr ich über Algorithmus und Arbeitsweise lerne, je mehr ich hinterfrage, mit welchen Parametern Facebook Zielgruppen erfasst, beschreibt und targeted, umso kreativer werde ich. Überhaupt liebe ich schnöde Zahlen – es sind wunderbare Sprungbretter für Ideen.

Aber wenn es eine Kreativtechnik gibt, die ich präferiere, dann ist es der „Perspektivwechsel“. Ich liebe es, mich in andere hinein zu versetzen und deren Perspektive einzunehmen. Klingt altbacken und nach einem „alter Hut“, man kennt das ja unter Namen, wie zum „Customer Centricity“ oder „vom User herdenken“. Stimmt, neu ist es nicht, aber wer macht es tatsächlich?

Für mich ist der ganze Tag voll von Inspirationen, wenn ich mich auf den Empfänger einlasse. Es macht mir einfach Spaß, zu überlegen „Warum sagt der oder die das?“ oder „Warum will er oder sie das so?“.

Bevor ich mich also auf die kreative Idee, die Lösung für ein Problem, stürze, halte ich erst einmal inne, und hinterfrage die Motivation meines Gegenübers. Und plötzlich ergeben sich ganz andere, viel kreativere Lösungsmöglichkeiten.

„In die Schuhe des anderen schlüpfen“… manchen Menschen fällt das leicht, andere tun sich schwer damit. Ist die Fähigkeit des Perspektivwechsels ein Talent, das man als Kreativer einfach hat oder kann man das lernen?

Schwer zu sagen, ich mache es intuitiv. Wichtig ist, meiner Meinung nach, dass man lernt, nicht zu schnell „Nein“ zu sagen. Nicht zu schnell zu denken: „Das geht nicht.“ Sondern offen zu bleiben und erst einmal zu beobachten. Kreativität entsteht immer dann, wenn Menschen nicht zu schnell ein Urteil fällen, wenn sie ehrliches Interesse an anderen zeigen und bereits sind, in die Lebenswelten anderer Menschen einzutauchen.

„Eintauchen in andere Lebenswelten“ ist das perfekte Stichwort für eines meiner Lieblingsthemen: dem Storytelling. Der Begriff wird oft und gerne verwendet. Irgendwie ist aber nicht mehr klar, was damit gemeint ist. Was ist deine Definition von „Storytelling“?

Ich vermeide den Begriff. Es ist für viele einfach ein Modewort, dabei steckt so viel mehr dahinter. Und ich weiß, am Ende kommt Petra Sammer ums Eck und sagt „Seit über 40.000 Jahren erzählen wir Geschichten… und so weiter… “ Die Kunst des Storytellings ist viel älter als das Internet und geht so viel tiefer. Aber dann kommt eben ein Kunde zu mir und fragt nach einer Facebook-Carousel-Ad mit vier Bildern und „mit Storytelling und so“. Da fragt man sich schon, was der Begriff wirklich bedeutet und welche Gemeinsamkeiten es gibt.

Ja, richtig … seit 40.000 Jahren erzählen sich die Menschen Geschichten. Das beweisen steinzeitliche Höhlenzeichnungen, die eben nicht die reale Welt abbilden, wie Antilopen und Löwen, sondern auch Mystisches wie Menschenhände um eine Sonne. Hier findet sich wohl der Anfang von Religion und deren Geschichten. Erstaunlich also, dass Marketing und PR Anfang des 21. Jahrhunderts das Storytelling erst wirklich entdecken. Ist das alles nur Online-Hype oder siehst du eine Zukunft für Storytelling in Unternehmen und für Marken?

Geschichten sind immer auch Bilder. Bilder im Kopf oder eben Bilder vor unseren Augen in 2D oder gar 3D. Und mit eben diesen Bildern brennen wir Botschaften in das Gedächtnis der Zielgruppe.

Früher reichte es, wenn man eine Werbebotschaft penetrant wiederholte. Die Amis sagen „5 alive, 7 is heaven“. Wenn man es schafft, eine Botschaft sieben Mal zu wiederholen, dann hatte man seine Marke beim Kunden festgesetzt.

Heute reichen Wiederholung und Penetranz nicht mehr aus. Heute braucht man eine klare Botschaft – eingebettet in einen narrativen Kontext. Ein Kontext, der emotionale Bindung und Relevanz bietet und so für Aufmerksamkeit sorgt. Gleichzeitig muss die Botschaft eingebunden werden in eine Struktur, eine Logik und Dramaturgie, um die Zielgruppe langfristig auch bei der Stange zu halten und zu fesseln. Und schon wird daraus eine Geschichte.

Damals wie heute sind wir auf der Suche nach dem Zaubermittel, das die Leute anlockt, neugierig macht, das die Leute fasziniert und motiviert.

Und genau das ist es, was Geschichten ausmachen: Bilder im Kopf und Dramaturgie. Beides steckt in einem Roman oder einem Drehbuch, in einem YouTube-Video oder einem gut gemachten Facebook-Carousel. Die Höhlenmalerei von damals ist die Insta-Story von heute.



Zehn Jahre „The Digital Guide“: Seit 2011 ist Lukas Adda selbstständig, unterstützt und berät Agenturen und Unternehmen in strategischer Unternehmenskommunikation sowie in der Konzeption von innovativen und digitalen Kommunikationslösungen. Als Autor steigt Adda mit dem Standard-Werk „Face to Face“ in die Tiefen des Facebook-Marketings.

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