TRUE ENOUGH - LEARNING TO LIVE IN A POST-FACT SOCIETY - A BOOK REVIEW
Warum bekommt man manche Bücher einfach zu spät in die Hand? "True Enough - Learning to Live in a Post-Fact Society" von Farhad Manjoo wurde bereits 2008 veröffentlicht. Doch erst jetzt - wo man überall über den Begriff "post-faktische Gesellschaft" stolpert - geriet das Buch in meine Finger. Dabei hätte man sich so manchen Ärger und Aufreger ersparen können, wenn man das Buch bereits vor Jahren gelesen hätte. Im Jahr, in dem Obama zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, macht der amerikanische Journalist Farhad Manjoo mit zahlreichen Beispielen aus Politik, Sport und auch Gesellschaftskritik darauf aufmerksam, dass sich das Meinungs- und Informationsverhalten drastisch ändert und wir auf eine Polarisierung und Zuspitzung von Meinungen zudriften. Das Ergebnis dieses Trends kann man heute betrachten.
Es geht nicht um Fake - es geht um unterschiedliche Wahrheiten
Manjoo stellt bei seinen Betrachtungen jedoch vor allem in den Mittelpunkt, dass es müsig ist, sich über "Lügen" oder "Fake" zu beschweren, wenn die Gegenseite anderer Meinung ist oder andere Fakten zum Beweis anführt. Manjoo betont vielmehr, dass wir es mit "mehreren Wahrheiten" zu tun haben und dass man keiner Seite vorwerfen könne, dass sie lüge. Denn jeder sehe die Welt eben, wie er sie sehen will und glaubt dann tatsächlich, dass dies die "Wahrheit" sei. Dabei gehen wir selbst davon aus, dass wir selbst ganz objektiv urteilen. Manjoo führt dazu die Theorie des "Naive Realism" an, nach der Menschen für sich selbst Objektivität in Anspruch nehmen, obwohl sie selbst äußerst subjektiv urteilen und Fakten einsortieren - ohne es zu wissen. Und je mehr wir glauben, auf der richtigen Seite zu sein, umso mehr hören wir auch nur noch die Argumente und Fakten, die unsere eigene Wahrheit bestätigen.
Die "Bubble" hat marginal mit Social Media zu tun
Unter diesem Aspekt ist die sog. "Bubble", in der wir angeblich alle leben, gar kein "Social Media Phänomen", sondern ein ganz altbekanntes Verhaltensmuster, das wir auch ohne Internet einsetzen: Wir wollen nur das hören, was wir auch tatsächlich hören wollen.
Paradox ist dabei: je mehr wir durch verbesserte Technologien einsetzten, um an Informationen herankommen, je mehr wir Bilder einsetzten, um uns zu beweisen, wie die Welt tatsächlich aussieht und je mehr wir uns weltweit vernetzten, um besser informiert zu sein, um so intransparenter, umso unübersichtlicher, umso komplizierter wird es für uns, die Wahrheit tatsächlich zu sehen. Da bleiben wir also lieber bei dem uns eigenen Weltbild, beim Bauchgefühl, bei der Vorahnung, bei altbekannten Wahrheiten - denn das Neue ist einfach zu schwer zu verstehen.
Doch dabei streiten wir uns letztendlich nicht mehr über unterschiedliche Meinungen, sondern zweifeln aneinander, ob wir das richtige wissen: "No longer are we merely holding opinions different from one another, we´re also holding different facts. Increasingly our arguments aren´t over what we should be doing (...) but, instead, over what is happening."
Ein sehr aufschlussreiches Buch über Meinungsmache, Meinungsmacher und die Zweifel, die wir über das Weltbild des jeweils anderen haben: True enough - Learning to Live in a Post-Fact Society von Farhad Manjoo.